Operation Cyborg
von Nina zurück und stand von der Bank auf.
»Ich muß gehen, Nina«, sprach er gepreßt. Sie stand auch auf.
»Paß auf dich auf Tom Sanders«, sagte Nina und Tränen standen in ihren Augen. Auch Tom hatte mit den Tränen zu kämpfen.
»Du auch auf dich«, sagte er und sie umarmten sich noch einmal innig. Dann küßte Tom Nina auf die Wange und auch sie küßte ihn. Fast, aber nur fast, küßten sie sich dabei auf den Mund. Dann drehte Tom sich schnell um, damit sie nicht sah, daß auch er Tränen in den Augen hatte. Er lief in Richtung des Mädchens, das immer noch regungslos dort stand, und bog dann links ab, ohne dem Mädchen einen Blick zuzuwerfen.
»Und du paßt auch auf ihn auf, Lucy Liu«, sagte Nina leise und dicke Tränen liefen ihr die Wangen herunter.
Das Mädchen schaute noch einen kurzen Moment zu Nina herüber, dann griff sie die beiden großen Taschen, hob sie mühelos auf und folgte Tom. Nina sah den beiden nach. Bevor Tom durch die Einfahrt in die Jordanstraße trat, drehte er sich noch einmal zu ihr um. Er hatte bereits wieder die Sonnenbrille aufgesetzt und die Kapuze ins Gesicht gezogen. Er hob nochmal leicht die Hand zum Gruß, dann waren er und seine Begleiterin verschwunden. Nina setzte sich ein weiteres Mal auf die Bank und schluchzte leise vor sich hin. Sie war wieder ganz alleine und der Lärm des Cafés wehte zu ihr hinüber. Irgendwann, viel später, stand sie endlich auf und verließ den Hinterhof.
*
Tom stapfte wortlos zu seinem Auto. Es stand nur wenige Meter von der Einfahrt entfernt. Er zog umständlich das neue Navigationsgerät aus der Hosentasche. Dann schloß er den Wagen auf und stieg ein. Jazz verstaute ihre beiden Reisetaschen auf der Rückbank des Wagens, dann setzte sie sich auf den Beifahrersitz. Sie blickte zu Tom und musterte ihn schweigend. Ihr Gesichtsausdruck verriet Neugierde. Toms Hände zitterten leicht, als er versuchte, das Navigationsgerät an dem kleinen Schalter zu starten. Nachdem es endlich hochgefahren war, gab er ihr Fahrtziel auf dem Touchscreen ein: Koblenz. Dann griff er nach hinten in seine Tasche, fischte die Kfz-Halterung heraus und brachte sie an der Windschutzscheibe an. Als letztes stöpselte er das Kabel des Geräts in den Zigarettenanzünder. Doch noch startete er den Wagen nicht. Stattdessen holte er einmal tief Luft.
»Liebst du Nina«, fragte Jazz plötzlich in die Stille hinein.
»Ich will nicht mit dir darüber reden«, wies Tom sie ab, ohne sie anzusehen. Jazz wendete den Blick von ihm und schaute durch die Frontscheibe. Tom wollte gerade den Wagen starten, doch dann hielt er inne. Er drehte sich zu Jazz und sah sie feindselig an.
»Und überhaupt. Woher willst du wissen, was Liebe ist? Du bist nur eine Maschine«, fuhr er sie an.
Jazz blickte wieder zu ihm und sie wirkte, als wäre sie erschrocken über seine laute Ansprache.
»Ich bin eine Maschine«, bestätigte sie mit leiser Stimme. »Aber ich weiß mehr als du denkst.«
»So, wirklich?«, sagte Tom wütend.
»Liebe erzeugt in euch Menschen starke Emotionen. Ich weiß, daß Menschen glücklich sind, wenn sie lieben und manchmal auch traurig. Und ich kann erkennen, wenn sich Menschen auf emotionaler Ebene nahe sind.«
Tom schnaubte.
»Und woher willst du wissen, wann ich glücklich oder traurig bin. Woher willst du wissen ob Nina und ich uns 'auf emotionaler Ebene' nahe sind'?«, fragte er immer noch gereizt und mit rauher Stimme. Das Treffen mit Nina hatte sein Herz schmerzhaft berührt. Sein Hals war trocken und er fühlte sich elend.
»Ich habe gesehen, daß ihr beide geweint habt und ich habe gesehen, wie ihr euch aneinandergelehnt habt, so wie auf dem Foto aus deinem Zimmer«, sagte Jazz und Tom hatte das Gefühl, daß sie versuchte einfühlsam zu klingen. Plötzlich bereute er, daß er sie so angefahren hatte. Ja, sie war nur eine Maschine, aber angetrieben von einer künstlichen Intelligenz, die darauf programmiert war, dazuzulernen. Mit ihrer Frage wollte sie ihn nicht bloßzustellen oder verletzen. Sie war neugierig. Ihre KI wollte Informationen zu Dingen, die sie nicht kannte.
Und die sie nie kennen würde, schob Tom in Gedanken nach.
»Ja, Nina und ich sind uns nahe. Sehr nahe«, erklärte Tom und bemühte sich ein wenig freundlicher zu klingen. »Hör zu, ich möchte jetzt einfach nicht darüber reden. Nina und ich sind ... sehr gute Freunde und ich habe nicht viele Freunde. Magnus ist tot, Nina werde ich vielleicht nie wieder sehen und alle anderen, die
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