Operation Foxbat: Thriller (German Edition)
sie sie abgeliefert hätten, würden die Männer sich trennen und einander wahrscheinlich nie wiedersehen. Sie waren einzeln in der bulgarischen Unterwelt für diese Operation zusammengesucht und fürstlich entlohnt worden. Keiner hatte die geringste Ahnung, was sich in den Kisten befand oder wie wertvoll ihr Inhalt für ihren Auftraggeber war, einen Mann mittleren Alters und dem Aussehen nach chinesischer Herkunft, der ihre Sprache nur bruchstückhaft beherrschte.
Während die Lastwagen schwankend über die Straße rollten, waren in den Führerhäusern nur die Fahrer zu sehen. Gleichzeitig waren die anderen Männer auf den Ladeflächen damit beschäftigt, den Auftrag, für dessen Ausführung sie engagiert worden waren, abzuschließen, indem sie die »R-40T«-Beschriftungen der Kisten sorgfältig mit vorbereiteten Frachtetiketten überklebten.
Hotel Rossyia, Moskau
Das Rossyia ist ein riesiger Bau: zwölf Stockwerke mit 3200 Zimmern, neun Restaurants, von denen zwei jeweils 1000 Gästen Platz boten, sechs Bars, fünfzehn Imbissrestaurants und dem größten Ballsaal der Welt. Es verfügt außerdem über ein Kino, das Zaryadye, mit 3000 Sitzplätzen. In Werbebroschüren des Hotels wird es allgemein als »Palast« bezeichnet, doch als der schwarze Mercedes sich dem massigen Bau am Ufer der Moskwa näherte, konnte Richter erkennen, weshalb es sich den um einiges weniger glamourösen Namen »The Box« eingehandelt hatte.
Bykow hatte ihm ein Zimmer im sechsten Stock reservieren lassen, und der GRU-Offizier schlug vor, dass sie eine Bar aufsuchen sollten, sobald Richter sein Gepäck in seiner vorübergehenden Bleibe deponiert hätte.
»Wir haben das Zimmer gestern noch auf Abhörwanzen überprüft«, erklärte er, »doch in Moskau weiß man nie genau, wer einen gerade belauscht. Deshalb fühle ich mich in einer Bar stets viel wohler. Leider muss ich gestehen, dass Ihre Anwesenheit hier nicht auf allgemeine Zustimmung trifft, daher wurde ich angewiesen, dafür zu sorgen, dass Sie weder mein Büro noch irgendein anderes Gebäude betreten, das vom GRU oder dem SWR benutzt wird.«
»Hotels und Bars sind völlig in Ordnung«, versicherte Richter ihm.
Sie fanden eine freie Nische im hinteren Teil des Gastraums, bestellten ihre Getränke und warteten, bis die Gläser vor ihnen auf dem Tisch standen.
»Dann mal los, Viktor. Ich bin ganz Ohr.«
Obwohl er die englische Sprache nahezu fließend beherrschte, machte Bykow für einen kurzen Moment einen verwirrten Eindruck – er hatte den Ausdruck »ganz Ohr sein« noch nie gehört -, doch dann hellte sich seine Miene auf. »Na schön. Dann will ich mal ganz von vorne anfangen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion befinden sich unsere Streitkräfte in einem Zustand des Umbruchs. Lange Zeit war nicht klar, welche Waffen oder Flugzeuge an welchen Stützpunkten vorhanden waren und wer die Kontrolle darüber hatte. Es wurden keine Gehälter gezahlt, Offiziere und Mannschaften wurden am Ende ihrer Dienstzeit nicht abgelöst und so weiter. Es herrschte ein totales Durcheinander. Es war der reinste verwaltungstechnische Albtraum.«
Richter nickte zustimmend. »Der Westen machte sich große Sorgen wegen dieser Vorgänge. Aber jetzt scheinen Sie alles wieder im Griff und in Ordnung gebracht zu haben, oder?«
»Ja, das haben wir – jedenfalls zum größten Teil. Aber als Moskau wieder die direkte Kontrolle über alle Teile der Streitkräfte übernahm und damit begann, die Inventarlisten mit dem Inhalt der jeweiligen Materiallager zu vergleichen, stieß man auf einige buchhalterische Diskrepanzen.«
» Buchhalterische Diskrepanzen?«
»So hat Moskau sie genannt, ja. Auf einigen abgelegeneren und weniger streng beaufsichtigten Militärbasen stellte sich heraus, dass einige Offiziere sich ihre Gehälter fürstlich aufgebessert hatten, indem sie spezielle Ausrüstungsteile verhökerten, die sie als als nicht den Anforderungen entsprechend betrachteten. In der Praxis sah es so aus, dass sie zum Beispiel ein paar Kisten AK47 abschrieben, da sie angeblich lange Zeit in Meerwasser gelegen hätten und daher nicht mehr zu gebrauchen wären, und sie dann jedem verkauften, der sich dafür interessierte. Als dies ans Tageslicht kam, begriff Moskau auch endlich, weshalb die tschetschenischen Rebellen so gut ausgerüstet waren – sie hatten den größten Teil ihrer Waffen und Munition direkt von den regulären russischen Streitkräften erhalten.«
»Sie haben mich doch nicht etwa den
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