Operation Ocean Emerald
hereingeschlichen?«
»Wir haben eine zweite Bombe gefunden«, flüsterte Thomson kühl. »Sie war in einem Verteilerkasten auf Deck 9 versteckt. Wir versuchen jetzt herauszufinden, wer der andere Entführer ist, der einen Funkauslöser für die Sprengsätze hat. Wir denken darüber nach, beide gleichzeitig anzugreifen, falls sich die Lage zu sehr verschlechtert. Bist du sicher, alles erwähnt zu haben, was du in der Kabine von Delacroix gesehen und gehört hast?«
»Ich kann Ihnen ja angeblich am besten helfen, indem ich still bin«, sagte Aaro trotzig und legte sich wieder hin.
Er spürte, wie Thomson seinen Arm berührte und mit dem Gesicht dicht an sein Ohr herankam. »Du bist in einem Alter, in dem man ruhig auch mal kindisch sein darf. Aber versuch wenigstens zu verstehen, dass wir jetzt keine Zeit für solche Spielereien haben.«
»Ich habe alles erzählt, was sich zu erzählen lohnt.« Aaro schwieg einen Moment. »Aber ich kann versuchen, noch mehr Erzählenswertes herauszufinden«, flüsterte er.
»Was meinst du damit?«
»Wenn ich einen Schlüssel für Delacroix’ Kabine bekomme, sehe ich mich dort ein bisschen um.«
»Du? Auf keinen Fall …«
»Sie und ihre Leute werden sofort erkannt. Ich bin in den Augen der Piraten bloß ein Junge, der zu viele Fünf-Freunde-Bücher gelesen hat.«
Thomson überlegte eine Weile. »Nein. Das Risiko ist zu groß.«
»Im Verhältnis wozu? Manchmal muss man kleine Risiken eingehen, damit keine großen entstehen. Wenn man beim Wetten das Risiko optimieren will, muss man …«
Thomson unterbrach Aaros Erklärungen mit einer Handbewegung.
»Ich werde das nicht zulassen.«
Nun schwiegen beide.
»Was für andere Möglichkeiten gibt es denn?«, fragte Aaro und gab sich Mühe, möglichst selbstsicher zu klingen.
Thomsons Gesichtsausdruck wurde noch ernster, als er ohnehin schon war.
»Du musst extrem vorsichtig sein«, flüsterte er schließlich.
»Ich brauche eine Schlüsselkarte. Und jemanden, der auf dem Gang aufpasst. Aber nicht Sie oder jemand von Ihren Leuten, weil Sie sofort erkannt werden. Ich weiß, wen ich haben will.« Aaro genoss es, Thomson Bedingungen diktieren zu können. »Falls diese Person einverstanden ist … Und dann bräuchten wir zwei Funkgeräte.«
Das Führungsgremium von Emerald Cruises hatte sich im Hauptsitz der Firma in der Bricknell Avenue in Miami zu einer Krisensitzung versammelt. Dem Unternehmen gehörten drei Stockwerke in einem vierzigstöckigen Hochhaus. Die Aussicht auf eines der belebtesten Viertel des Zentrums von Miami war großartig.
»Ich hatte gerade Kontakt mit Helsinki. Sie wissen nichts Neues über die Situation.« Max Lownie seniors Stimme war gedämpft und der Mann schwitzte trotz der leistungsstarken Klimaanlage. Er stand vor einem rechteckigen Tisch. »Einige von euch wissen es vielleicht schon, aber hiermit sage ich es nun allen: Gabriela und Max sind mit auf dem gekaperten Schiff.«
Der stellvertretende Präsident räusperte sich und sagte: »Es wird alles gut gehen. Die Behörden gehen kein Risiko ein. Niemand wird in Gefahr geraten, bloß weil …«
In dem Moment klopfte es an der Tür.
»Herein!«
Lownies Sekretärin betrat mit düsterer Miene den Raum. »Mr Lownie, ich habe mit sechs Geschäftsfluglinien in Florida telefoniert und alle verlangen Barzahlung für einen Flug nach Europa. Leider scheint jeder über unsere derzeitige Lage Bescheid zu wissen.«
»Sieht es so schlecht aus?« Lownie legte die Unterlagen, die er in der Hand hielt, vor sich auf den Tisch. »Dann werde ich ausprobieren, ob meine private Kreditkarte noch etwas wert ist. Ich will nach Helsinki, und wenn mich der Flug mein letztes Hemd kostet.«
Nach Mitternacht wurde der Wind noch stärker und dicke Regentropfen liefen über die großen Fensterscheiben der Kommandobrücke der Ocean Emerald. Düstere Wolken bedeckten den Himmel, weder Mond noch Sterne waren zu sehen.
Kapitän Hagen war todmüde, aber er verließ die Kommandobrücke nicht, sondern saß wortlos links neben dem Steuermann, der Brückenwache hatte, am Steuerpult. Die Wellen brachen sich am Bug, der schwere Seegang brachte das Schiff immer stärker zum Schwanken.
Diese Entführung war in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Nach wie vor gab es auf den Weltmeeren Piraterie, auch Geiseln wurden genommen, aber die Angriffe richteten sich stets auf Frachtschiffe. Hagen kannte das Problem nur zu gut aus den Jahren, in denen er auf Frachtern gearbeitet
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