Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Operation Ocean Emerald

Operation Ocean Emerald

Titel: Operation Ocean Emerald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
hatte.
    Handelsschiffe waren groß, langsam und praktisch ungeschützt und das war den mehr oder weniger gut organisierten Banden nicht verborgen geblieben. Durchschnittlich einmal am Tag enterten sie irgendwo auf der Welt einen Frachter und raubten etwas von der Ladung und das an Bord befindliche Bargeld. Eine Statistik, die Hagen vor Kurzem gesehen hatte, besagte, dass jedes Jahr ein Vermögen von 25   Millionen Euro von Schiffen verschwand. Beim Überfall auf ein Schiff war das Risiko geringer als bei einem Banküberfall.
    Mehr als hundert Seeleute wurden jedes Jahr bei Überfällen getötet oder verletzt oder verschwanden. Dabei wurde der größte Teil der Überfälle sogar verschwiegen,denn wenn die Polizei Ermittlungen aufnahm, lag das Schiff mitsamt Besatzung im Hafen fest. Und das kostete die Reederei leicht 15   000   Euro pro Tag.
    Am schlimmsten war die Lage in den Gewässern von Indonesien, Indien, Nigeria und in der Straße von Malakka zwischen Sumatra und Malaysia. Dort näherten sich ausgefuchste Banden nachts mit Schnellbooten den großen Schiffen, und zwar aus der Richtung, die vom Radar nicht erfasst wird. An langen Bambusstangen kletterten sie an Deck und zwangen den Kapitän mit vorgehaltener Waffe, den Tresor zu öffnen.
    Ein noch größeres Problem waren die Entführungen ganzer Schiffe, die von Banden aus dem Bereich des organisierten Verbrechens durchgeführt wurden. Dabei wurde die Besatzung eines Frachters, der Brennstoff, Kokosöl, Aluminium oder ein anderes, leicht zu verkaufendes Ladegut transportierte, umgebracht und das Schiff zum »Geisterschiff« umfunktioniert: Es wurde neu gestrichen, neu registriert, mit neuer Besatzung versehen und transportierte von da an Waffen, Drogen oder Flüchtlinge.
    Hagen war in seiner bisherigen Laufbahn zwar nie Opfer von Piraterie geworden, doch er hatte trotzdem das ein oder andere erlebt. Im Hafen von Alexandria war er ausgeraubt und zusammengeschlagen worden, woraufhin er auf der Intensivstation landete. Ein anderes Mal hatte er seinen zweiten Steuermann überwältigen müssen, weil dieser durchgedreht war und im Hafen von Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, um ein Haar das Schiff in voller Fahrt gegen den Kai gesteuert hätte.
    Hagen warf einen Blick auf Delacroix, der vom Kommandoplatz auf der linken Seite der Brücke aufstand und gemächlich zum Kartentisch hinüberging. Er sah sich die Einträge auf der Karte an, die alle halbe Stunde gemacht wurden und die Position des Schiffes anzeigten.
    »Unser neues Ziel ist Kaliningrad.« Delacroix’ Stimme klang nach wie vor so kühl wie die eines Geschäftsmannes. »Steuermann, bitte nehmen Sie Kurs auf die Danziger Bucht.«
    Hagen sah Delacroix überrascht an. Kaliningrad war eine russische Enklave zwischen Polen und Litauen. Er trat hinter den Steuermann und schaute auf den Radarschirm: Das Echo, das sich bislang sechs Meilen hinter der Ocean Emerald gehalten hatte, schien die Geschwindigkeit zu erhöhen und die rechte Seite des Luxusliners anzusteuern.
    »Steuermann, ich gehe davon aus, dass Sie meinen Befehl gehört haben«, sagte Delacroix mit deutlicher, aber beherrschter Stimme.
    »Ich nehme ausschließlich von Kapitän Hagen Befehle entgegen.«
    Es folgte ein Moment der Stille, bis der Steuermann einen Blick auf Hagen warf. Dieser bemerkte es und nickte, ohne ein Wort zu sagen.
    Der Steuermann stand auf, ging zum Kartentisch, um die erforderlichen Berechnungen anzustellen und die entsprechenden Einträge in der Karte vorzunehmen. Dann kehrte er zum Steuerpult zurück, stellte die automatische Steuerung auf einen neuen Kurs ein, und bald schonblinkte über dem mittleren Fenster die Digitalanzeige. Je mehr das Schiff beidrehte, umso kleiner wurden die Leuchtziffern. Schließlich zeigten sie 180.0 an und dabei blieb es. Während des Manövers hatte sich das Schiff ein wenig geneigt, aber jetzt lag es wieder gerade auf dem Kiel.
    Der zweite Steuermann kam herein, da der Wachwechsel bevorstand. Er sah nicht einmal in Delacroix’ Richtung, obwohl dieser auf seinem angestammten Platz am Tisch saß, den Funkauslöser vor sich.
    Unbemerkt stellte Hagen am Steuerpult das Radar auf einen Radius von zwölf Meilen ein. Schon vor einiger Zeit war das Schiff, das ihnen folgte, aus südwestlicher Richtung ins Kielwasser der Emerald eingeschwenkt.
    Als die Emerald nun den Kurs änderte, machte das Schiff hinter ihr exakt das Gleiche. Solange es der Emerald folgte, hielt es einen Abstand von sechs

Weitere Kostenlose Bücher