Operation Ocean Emerald
bringen sie in Sicherheit«, erwiderte Delacroix kühl, ohne den Blick auf den Kapitän zu richten. »Ein kleines Bad bringt einen nicht um, es beruhigt höchstens. Das weiß ich aus Erfahrung, Herr Kapitän.«
»Das ist kein Spiel«, fuhr der Kapitän ihn an. »Ich bin für meine Passagiere verantwortlich und Sie behandeln sie wie Vieh.«
»Ihre Passagiere sind in Panik. Da helfen nur Kraft und Entschlossenheit. Sie müssen ihnen mit gutem Beispiel vorangehen.«
»Meinen Sie damit, der Kapitän soll sich vor dem letzten Passagier in ein Rettungsboot flüchten?«, fragte Hagen ehrlich verdutzt.
»Sie sind nicht mehr Kapitän.«
»Sie sind wahnsinnig!«, regte sich Hagen auf. »Ein Kapitän verlässt sein Schiff nicht.«
Delacroix drehte sich um und sah dem Kapitän direkt in die Augen. »Sie müssen.«
»Sie bekommen mich nur in Stücken von einem Kilo von diesem Schiff.«
»Schlucken Sie endlich Ihren Stolz herunter und tun Sie, was man Ihnen befiehlt. Das ist Ihre Pflicht gegenüber den Passagieren. Sie haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen.«
»Ich werde bis zum Schluss auf der Brücke stehen.«
»Vergessen Sie diese verschimmelten Klischees. Sie machen sich nicht zum Helden, sondern zum traurigen Narren.«
»Haben Sie vor, mich umzubringen?«
»Ich versuche, Ihr Leben zu retten.«
»Mein Leben ist hier auf der Brücke. Ich bitte Sie nun, sich zu entfernen.«
Im fahlen Licht der batteriebetriebenen Innenbeleuchtung des Rettungsbootes warf Aaro einen Blick auf den blonden Mann, von dem er vermutete, dass er zu den Entführern gehörte. Der Mann trug ein ordentliches Tweed-Sakko und saß ruhig zwischen den anderen Passagieren auf seinem Platz. Hatte er die ganze Zeit den zweiten Funkauslöser bei sich gehabt?
Aaro schaute aus dem Fenster, aber in dem Gemisch aus Nebel und Dunkelheit war nichts zu erkennen. Der Matrose, der das Rettungsboot steuerte, drosselte die Geschwindigkeit und rief: »Machen Sie sich bereit, an Land zu gehen! Am Ufer gibt es keinen Steg, Sie werden alsoleider nasse Füße bekommen. Aber ich fahre so dicht wie möglich heran.«
Der Mann stoppte das Rettungsboot und half den Passagieren hinaus. Aaro watete mit den anderen ans Ufer und behielt dabei den mutmaßlichen Entführer im Auge. Die Atmosphäre inmitten des Nebels war unwirklich. Nach und nach begriffen die Menschen, dass sie nicht mehr von Bewaffneten in Schach gehalten wurden und dass auch keine Explosion mehr drohte. Waren sie gerettet? Einerseits sah es so aus, andererseits wussten sie, dass sie sich auf fremdem Boden befanden und somit nach wie vor anderen ausgeliefert waren.
Am Ufer zogen alle ihre Schwimmwesten aus und sprachen automatisch im Flüsterton miteinander. Aus dem Nebel näherten sich die Passagiere aus dem zweiten Rettungsboot dem Ufer.
Aaro sah, wie der mutmaßliche Entführer sich unauffällig von den anderen entfernte und schließlich davonging. Seine Schritte waren zu zielstrebig, um vom Zufall gelenkt zu sein. Aaro folgte dem Mann in ein kümmerliches Uferwäldchen, dessen Bäume der Seewind gebeugt hatte.
Kapitän Hagen stand auf der Kommandobrücke und blickte in Richtung Ufer, aber durch den Nebel war nichts zu erkennen. Er wusste, dass er allein auf dem ganzen Schiff war – und darauf war er insgeheim stolz.
Er hatte den Behörden sofort die Position der Ocean Emerald mitgeteilt und berichtet, was geschehen war.Präsident Lownie hielt sich noch immer in Helsinki auf. Den Entführern war natürlich klar, dass der Kapitän nun unbehelligt Informationen weitergeben konnte, sie schienen sich jedoch nicht darum zu kümmern. Warum nicht?
Da rauschte es im Funkgerät und die ernste, metallische Stimme von Delacroix drang auf die Kommandobrücke.
»Dies ist die letzte Mitteilung, Kapitän Hagen. Verlassen Sie das Schiff. Es wird in wenigen Augenblicken explodieren.«
Hagen griff zum Mikrofon, um zu antworten, aber die Verbindung war bereits unterbrochen. Warum wollten sie jetzt noch die Ocean Emerald in die Luft sprengen?
Er nahm Kontakt zu Präsident Lownie auf. »Hier spricht Kapitän Hagen. Die Entführer haben gerade erklärt, sie würden das Schiff in die Luft sprengen.«
»Das ist Wahnsinn … Sie haben doch alles bekommen!«
, rief der Reeder erschüttert aus.
»Sind alle Passagiere evakuiert worden?«
»Das Schiff ist leer. Nur ich bin noch an Bord.«
»Verlassen Sie das Schiff. Sie haben bereits mehr als genug geleistet.«
»Ich bleibe lieber hier und warte auf
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