Operation Ocean Emerald
Buchstaben »D« unter dem Ring von gelben Sternen verriet, dass der Wagen in Deutschland zugelassen war. Aaro kritzelte das Kennzeichen auf den Zettel, der mehrere Löcher bekam, weil sich die Kugelschreiberspitze auf dem weichen Moosteppich durch das Papier bohrte.
»Alles notiert?«
Aaros Herz hörte vor Schreck auf zu schlagen. Er drehte den Kopf und sah Juliette hinter sich stehen.
DRITTER TEIL
37
»Das brennende Wrack der Ocean Emerald ist gerade dabei, westlich der Ortschaft Pionerskij in der Ostsee zu versinken«
, sagte eine schockierte Stimme über das Funkgerät.
Timo Nortamo hatte das Gefühl, als würden seine Beine versagen, aber mit aller Willenskraft gelang es ihm, sich aufrecht zu halten.
»Am Ufer sind Rettungsboote und Menschen … viele Menschen …«
, fuhr die Stimme des Beamten von der litauischen Küstenwache fort.
Diese Worte flößten Timo Hoffnung ein. Aaro war also doch gerettet. Es durfte nicht anders sein.
Timo stand mit acht weiteren Beamten im Büro der Flugleitung auf dem Flughafen Kaliningrad. Der hohe Raum war kahl, an der Wand hing eine große Karte, auf der ein roter Reißnagel die Position der Ocean Emerald markierte. Sämtliche Namen waren mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
»Die Verbindung zu den Entführern steht«, sagte KR P-Vizechef Kanerva aufgeregt vor dem mobilen Kommunikationszentrum, das sie in einem Aluminiumkoffer aus Helsinki mitgebracht hatten.
Timo war mit wenigen Schritten bei ihm und setzte sich das Headset auf. Er merkte, dass Michail Kowalenka ihn dabei aufmerksam beobachtete.
»Warum haben Sie das Schiff gesprengt?«, fragte Timo, ohne seine Aufregung bändigen zu können. »Sind alle …«
»Spreche ich mit Timo Nortamo?«
, unterbrach ihn Delacroix.
»Ja. Sind alle Passagiere in Sicherheit?«
»Das sind sie. Speziell zwei von ihnen. Ein amerikanischer Milliardär und Ihr Sohn.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Timo mit erstickter Stimme.
Aaro saß als achter Fahrgast zusammengedrängt auf der Rückbank des siebensitzigen Geländewagens.
Er begriff, dass er den Fehler seines Lebens begangen hatte. Um sich Delacroix gegenüber wichtig zu machen und seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, hatte er während seiner Gefangenschaft auf der Ocean Emerald seinen Vater erwähnt – und damit den Entführern einen echten Trumpf in die Hand gespielt: Timo Nortamo würde das Leben seines Sohnes auf keinen Fall gefährden, wenn er wüsste, dass dieser als Geisel genommen worden war.
Delacroix saß neben Aaro, hatte einen Kopfhörer auf und sprach mit seinem Vater. »Herr Nortamo, es wird Sie bestimmt interessieren, Folgendes zu erfahren: Es wird Ihrem Sohn gut gehen, solange Sie unsere Anweisungen befolgen.«
Aaro biss sich auf die Lippen. Er konnte die Antwortseines Vaters nicht hören und er wollte es auch gar nicht. Er schämte sich für seine Blödheit. Zum Glück erzählte Delacroix seinem Vater nicht, von wem er erfahren hatte, dass Aaro der Sohn eines E U-Polizisten war.
»Wie gesagt, die Passagiere sind an Land in Sicherheit, auch wenn das Schiff explodiert ist. Sie können sie mit Schiffen und Hubschraubern abholen, sobald wir die Erlaubnis dazu erteilen. Ich werde mich demnächst wieder melden.«
»Wo bringen Sie mich hin?«, fragte der ältere, nach Alkohol riechende Amerikaner, der neben Aaro saß, mit vor Angst dünner Stimme. Er sah seltsam grau im Gesicht aus.
»Rufen Sie meinen Hauptbuchhalter an, er wird Ihnen so viel Geld, wie Sie wollen, auf Ihr Konto überweisen … Aber lassen Sie mich hier raus …«
»Hören Sie auf zu wimmern«, fuhr Delacroix ihn an. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem Jungen.«
Aaro war nicht sicher, ob das als Kompliment oder als Beleidigung gemeint war.
»Meine Medikamente sind in der Kabine geblieben …«
»Halten Sie jetzt endlich die Schnauze!«, fiel ihm Delacroix ins Wort.
Der Amerikaner verstummte. Die kleine Nebenstraße, die sich durch die neblige Waldlandschaft schlängelte, sorgte dafür, dass es Aaro schlecht wurde. Niemand sagte ein Wort. Das Schweigen der Entführer war unnatürlich und verlieh ihnen einen noch unmenschlicheren Anschein. Die Scheinwerfer strichen über die feuchten Stämme krummer Bäume, die aus dem Nebel ragten.
Aaro fragte sich, wie es Rosita ergangen war. Und wie es ihm selbst ergehen würde …
Dann waren neben der Straße auf einmal Spuren zu erkennen, die von Menschen stammen mussten, Müll und Schrott, die einfach
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