Operation Ocean Emerald
liegen gelassen worden waren. Trotzdem wirkte die Gegend unbewohnt. Aaro hatte bislang kein einziges Haus gesehen, nicht einmal ein einzelnes Licht hinter den Bäumen.
Der Nebel, der über dem Uferstreifen lag, lichtete sich. Zugleich wurde der Wald dichter, und je weiter es ins Landesinnere hineinging, umso größer wurden die Bäume. Am Himmel ballten sich dunkle Wolken und verdeckten den bleichen Schein des Vollmonds. Nur die Lichtkegel der Scheinwerfer wiesen den Weg. Die Straße wurde immer schmaler und kurvenreicher. Aaro überlegte, ob sie wohl bald zu Fuß gehen müssten, wenn es unmöglich sein würde, weiterzufahren.
Dann merkte er, wie sich Rubinstein mit geschlossenen Augen an ihn lehnte. Wie konnte jemand in so einer Situation und bei so unruhiger Fahrt schlafen? Die Scheinwerfer wischten über einen rostigen Drahtzaun. Spitze, verbogene Pfosten ragten aus der Erde und einzelne Stacheldrahtrollen bewegten sich im lauen Wind. Das Auto fuhr durch ein windschiefes Tor. War das der Stützpunkt der Piraten? Wussten sie nicht, dass man die ganze Gegend nach ihnen absuchen würde?
Die Tür eines kleinen Lagergebäudes hing schief in den Angeln, kaputte Fensterscheiben starrten ins Nichts. Glasscherben auf dem Boden blinkten auf, als das Scheinwerferlichtsie traf. In der nächsten scharfen Kurve fiel der schlaffe Rubinstein ganz auf Aaro und verdeckte diesem die Sicht. Es dauerte einen Moment, bis Aaro den sonderbar tief schlafenden Millionär wieder auf seinen Platz gewuchtet hatte.
Nun machten die Scheinwerfer ein Autowrack ohne Räder sichtbar. Auf der Erde lagen Ziegelsteine und Gummifetzen herum. Der Geländewagen fuhr über eine Bodenwelle und Rubinstein seufzte bedrohlich auf. Rostige Fässer sahen aus wie große, zerdrückte Getränkedosen. Die Natur hatte die Macht des Betons gebrochen, überall drängte trockenes Gras aus den klaffenden Ritzen. Erst da erkannte Aaro, wo sie waren: auf einem verlassenen Flugplatz!
Gleich nach dieser Erkenntnis entdeckte er weitere Anzeichen dafür, dass er mit seiner Vermutung richtig lag: den ausgebrannten Rumpf eines großen Militärhubschraubers, die Räder eines Landegestells, ein verlassenes Militärfahrzeug. Der Geländewagen fuhr auf die Startbahn, deren Betonfläche stellenweise durch den Frost vieler Winter so beschädigt war, dass die Insassen des Fahrzeugs fast mit den Köpfen an die Decke stießen.
Auf einmal drosselte der Fahrer energisch das Tempo. Aaros Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen – im Licht der Scheinwerfer schimmerte ein vor Nässe glänzender, weinroter Learjet. Er sah aus, als wäre er aus einer anderen Welt hierhergeraten, und er ähnelte dem Miniaturmodell eines großen Düsenflugzeugs.
Der Wagen hielt unmittelbar vor der kurzen Gangwayder Maschine an. Die Entführer stiegen schnell, fast hektisch aus.
»Raus!«, trieb Juliette auch die beiden Geiseln an.
Aaro stand auf und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass der alte Amerikaner weiterhin in tiefem Schlaf auf seinem Platz hing. Nicht einmal der Lärm des Düsenmotors in unmittelbarer Nähe schien ihn zu stören.
Delacroix rüttelte den Mann an der Schulter, aber dieser wachte nicht auf. Daraufhin fühlte Delacroix dem Amerikaner den Puls.
»Eine Lampe!«, rief er Juliette über den Lärm des Learjets hinweg zu.
Juliette reichte ihm eine Taschenlampe und Delacroix richtete sie auf das Gesicht des Mannes, wobei er ein Augenlid anhob.
»Er ist bewusstlos … Ein Anfall«, sagte Delacroix.
»Er hat nicht umsonst nach seinen Medikamenten verlangt.« In Juliettes Stimme lag ein vorwurfsvoller Unterton.
Delacroix wirkte nicht erschrocken, sondern eher nachdenklich.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Juliette.
»Er kann von mir aus ins Krankenhaus kommen«, stellte Delacroix gelassen fest und schaute Aaro an. »Wir haben eine bessere Geisel.«
Die Entführer zerrten Aaro ins Flugzeug und stießen ihn in einen tiefen, cremefarbenen Ledersitz. Die enge Kabine war mit Edelholz, dunkelgrauem Velours und verzierten Chromleisten ausgekleidet. Wäre die Situation eineandere gewesen, hätte es Aaro ziemlich gut gefallen, mit einer so außergewöhnlichen Maschine zu fliegen. Jetzt aber jagte es ihm nur zusätzliche Angst ein.
Was würde passieren, wenn sie auch die letzte Geisel nicht mehr brauchten? Die Geisel, die gesehen hatte, wohin die Entführer geflohen waren?
Er schnallte sich an und schob entschlossen alle unangenehmen Gedanken zur Seite. Er musste situationsgemäß
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