Operation Ocean Emerald
ihnen die Erde entgegen.
Aaro und Delacroix setzten im Dunkeln auf einer leicht abschüssigen Alpenwiese auf und torkelten ins Gras, wo sie wenige Sekunden liegen blieben. Dann hörte es Aaro zweimal klicken und er konnte sich aus den Gurten befreien.
Delacroix fing an, den Schirm zusammenzurollen. Tiefe Zufriedenheit erfüllte Aaro – weil er am Leben geblieben war und weil er diesen fantastischen Sprung absolviert hatte. Allerdings wich dieses Gefühl im Nu wieder von ihm. Er war nach wie vor eine Geisel. Und sein Leben war für die Entführer nur so lange wichtig, bis sie vor ihren Verfolgern in Sicherheit waren.
Dieser Augenblick schien von Minute zu Minute näher zu rücken.
»Zieh den Overall aus, wir müssen weiter«, sagte Delacroix.
Intuitiv sah sich Aaro verstohlen nach Fluchtmöglichkeiten um. Das von schwachem Mondlicht erleuchtete Tal war von steilen Bergen umgeben, deren untere Hänge bewaldet waren. Von Genf aus war Aaro ein paarmal beim Skifahren gewesen, darum wusste er, dass es in abgelegenen Winkeln der Alpen mitunter zig Kilometer bis zum nächsten Haus sein konnte. Die Entführer dürften kaum eine allzu dicht besiedelte Gegend für ihren Absprung gewählt haben … Jeder Versuch, davonzurennen, wäre zum Scheitern verurteilt.
Jemand – vielleicht war es Emilio – schwebte in wenigen Hundert Metern Entfernung auf die Erde herab und eine weitere Person rollte weiter oben am Hang bereits ihren Fallschirm ein. Die Stille und das Vollmondlicht waren wie in einem Traum. Ein dritter Schatten schwebte noch in der Luft. Der Frachtschirm war als Erster auf der Erde angekommen. Was aber würde mit dem Flugzeug geschehen, von dem nichts mehr zu hören und zu sehen war?
Delacroix sprach kurz in sein Funkgerät. Eine der weiter weg gelandeten Personen gab mit einer hellen Lampe Lichtsignale – nicht in Richtung der anderen Entführer, sondern weiter ins Tal hinunter.
Der Grund wurde sogleich ersichtlich. Man hörte ein tiefes Motorgeräusch und dann näherten sich silbern leuchtende Xenon-Scheinwerfer: ein Geländewagen. Er fuhr mit ziemlich hoher Geschwindigkeit und Delacroix faltete immer schneller seinen Schirm zusammen.
Der Augenblick, in dem die Entführer in Sicherheit wären,rückte bedrohlich näher. Bald würden sie ihre Geisel nicht mehr brauchen.
Der bullige Porsche Cayenne kam auf der Wiese mühelos voran und blieb schließlich vor ihnen stehen. Der Fahrer ließ den Motor laufen, sprang aus dem Wagen und begrüßte Delacroix auf Französisch. Ohne Zeit zu verlieren, öffnete der Fahrer die Heckklappe und die beiden Männer luden zusammen den gefalteten Seidenfallschirm ein.
Aaro starrte auf die offen gebliebene Fahrertür und dann auf die beiden Männer am Kofferraum.
Mehr von seinem Instinkt als von der Vernunft gesteuert, sprang er hinter das Lenkrad und zog die Tür zu. Ein paarmal nur hatte er auf dem Schoß seines Vaters Auto fahren dürfen, aber dafür war er umso öfter mit dem Joystick in der Hand die Rallye Dakar oder in Dayton und Hockenheim gefahren und durch die Schluchten von Großstädten gedüst.
Er stellte den Hebel der Automatikschaltung von Parken auf Fahren und sah im Seitenspiegel Delacroix auf die Fahrertür zustürzen.
Aaro trat aufs Gas und der Offroader mit dem bärenstarken Motor raste los. Der Bordcomputer gab grelle Signaltöne von sich, weil die Heckklappe geöffnet war. Wegen der heftigen Beschleunigung verlor Aaro gleich zu Beginn die Kontrolle über den Wagen, aber im letzten Moment bekam er ihn in den Griff. Die Ingenieure, die sich das Fahrstabilisierungssystem ausgedacht hatten, waren wohl kaum von einem vierzehnjährigen Fahrerauf der Flucht vor Piraten ausgegangen, aber das System funktionierte auch unter diesen Bedingungen ausgezeichnet.
Aaro kam nicht dazu, in den Rückspiegel zu schauen, denn er konzentrierte sich mit jeder Körperzelle darauf, von der Wiese wegzukommen. Er hatte sich vorgestellt, den Wagen auf eine weiter unten verlaufende Straße zu lenken, aber plötzlich wurde ihm zu seinem Entsetzen bewusst, dass es diese Straße gar nicht unbedingt geben musste. Womöglich war mit dem Cayenne kilometerlang querfeldein gefahren worden.
Aaro hielt das Lenkrad umklammert und den Blick fest auf die bläulich schimmernde Landschaft im Licht der Scheinwerfer gerichtet. Rechts ragte ein steiler Hang auf und links wurde die Wiese von Wald gesäumt. Der Streifen, auf dem man fahren konnte, wurde ständig schmaler. Aber aus dieser Richtung
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