Operation Ocean Emerald
schützte die Augen mit den Händen und dann verwandelte sich der schrille Ton in seinen Ohren allmählich in verständliche menschliche Stimmen.
Und nun ging Aaro auf, was passiert war: Er war mit einem anderen Auto zusammengestoßen. Erleichterung überwältigte ihn. Bestimmt hatte der Fahrer ein Handy, mit dem sie die Polizei verständigen konnten.
»Raus!«, befahl eine überraschend barsche Stimme, die gleich darauf in ein Funkgerät sprach: »Wir haben ihn. Das Auto scheint fahrtüchtig zu sein.«
Erst da begriff Aaro, dass die Entführer mit zwei Fahrzeugen abgeholt worden waren und er mit dem zweiten zusammengeprallt war.
41
Im Kontrollturm des Flughafens Kloten am Rand von Zürich versetzte Timo die Stecknadel, die die Position des Flugzeugs anzeigte. Die Entführer flogen direkt über die Alpen nach Westen, in Richtung Frankreich.
»Ein Sonderkommando der Polizei ist auf dem Flughafen Orly einsatzbereit«
, teilte der Beamte, der in Paris die Operation leitete, über den Lautsprecher des Konferenztelefons mit.
Allmählich kristallisierte sich heraus, dass das Ziel der Entführer in Frankreich lag. Ihr Treibstoff würde noch eine oder höchstens zwei Stunden reichen.
»Wir haben wiederholt versucht, Kontakt zur Maschine aufzunehmen, aber ohne Erfolg
«
, fuhr der Franzose fort.
»Das ist keine Überraschung«, sagte Timo müde. »Es wäre eher eine Überraschung, wenn sie darauf reagierten.«
Timo hatte längst registriert, mit welcher kalten Entschlossenheit die Entführer vorgingen. Das einzige große Fragezeichen war, warum sie das Schiff in die Luft gesprengt hatten.
»Die Maschine scheint Lyon im Norden zu passieren
und in Richtung Dordogne weiterzufliegen
«
, sagte der Franzose.
Timo versetzte die Stecknadel wieder ein Stück und schaute noch besorgter als zuvor auf die Karte.
Krüppelkiefern huschten im Lichtkegel des rechten Scheinwerfers vorüber. Der linke Scheinwerfer des Geländewagens war bei dem Zusammenstoß kaputtgegangen. Die Alpenstraße, auf der sie fuhren, war extrem kurvenreich, aber asphaltiert. Aaro saß auf dem Rücksitz neben Juliette und er war sich bewusst, dass sich seine Lage durch den Fluchtversuch weiter verschlechtert hatte.
Von dem Porsche Cayenne, den Aaro zerbeult hatte, waren sie in den Range Rover umgestiegen, der einigermaßen heil geblieben war. Aaro war todmüde, aber an Schlafen war nicht zu denken – wegen der kurvenreichen Fahrt und wegen seiner Gemütsverfassung. Anfangs hatte er die Abfahrten und Anstiege gezählt, aber schließlich gemerkt, wie sinnlos es war, auf diese Weise herauszufinden zu versuchen, wo sie sich befanden. Das Gebirge schien endlos zu sein.
Plötzlich erreichten sie eine Kreuzung. Auf dem Wegweiser, der nach rechts zeigte, stand »Les Rochers«. Waren sie in Frankreich?, fragte sich Aaro verdutzt. Wo sonst konnte es einen solchen Ortsnamen geben? Nur noch in der französischsprachigen Schweiz.
Die Straße wurde breiter und gerade. Der Fahrer beschleunigte stark. Ein Auto kam ihnen entgegen, wasAaro einen Funken Hoffnung gab – wo Menschen wohnten, bestand wenigstens eine geringe Chance auf eine überraschende Wendung, anders als in der totalen Wildnis.
Die Fahrt wurde zu einem gleichmäßigen, rauschenden Gleiten. Aaro versuchte, wach zu bleiben, auch wenn die Müdigkeit auf seinem Kopf und seiner Brust lastete. Jedes Mal, wenn der befreiende Schlaf die Herrschaft über ihn gewinnen wollte, schreckte er hoch und befand sich wieder in dem Albtraum des Wachzustandes.
Timo presste die Stecknadel fest zwischen den Fingern, damit man nicht sah, wie seine Hand zitterte. Er steckte die Nadel an die Stelle, die ihm der französische Beamte per Telefon nannte. Laut Flugleitung in Bordeaux hatte die Maschine der Entführer gerade diesen Radarkontrollpunkt passiert.
Zur Erschütterung aller Anwesenden befand sich diese Stelle bei der Kleinstadt Cap Ferret an der Atlantikküste. Die Maschine hatte Frankreich auf dem direkten Weg überquert und steuerte nun die Biskaya an.
Unter Einsatz seiner gesamten Willenskraft zwang sich Timo, mit ruhiger Stimme zu sprechen: »Gibt es vor der Küste eine Insel, wo man landen kann?«
»Nein
«
, sagte der Franzose über das Konferenztelefon.
»Als Nächstes kommen die Azoren mitten im Atlantik.«
Timo spürte einen Würgegriff um seinen Hals. Auf der Route des Flugzeugs lag keine einzige Insel, wo die Entführerlanden konnten, um zu tanken – aber der Treibstoff musste ihnen jeden
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