Operation Ocean Emerald
Ende nehmen. Endlich erreichten sie eine gotische Tür mit Spitzbogen, an der ein grau oxidierter, riesenhafter Türklopfer angebracht war.
Delacroix schob seine Magnetkarte in einen Spalt rechts von der Tür. Es ertönte ein gedämpftes Piepsen und das Surren eines elektronischen Schlosses. Hinter der Tür war die Treppe überdacht und setzte sich ohne Beleuchtung fort. Rostige Halterungen, in denen einst Fackeln gesteckt hatten, ragten aus der Wand.
Aaro hatte einen muffig-feuchten Kellergeruch in der Nase. Der Aufstieg brachte ihn immer mehr zum Keuchen, aber auch Delacroix schien nicht mehr besonders leichtfüßig zu gehen. In der Mauer wechselten sich Naturstein und Ziegelsteine ab und es gab keinerlei Öffnungen.
Schließlich war die Treppe zu Ende und es folgte ein kurzer Gang. Zwischen den Entführern überquerte Aaro einen Abschnitt, der aus Brettern gemacht war, und es kam ihm vor, als würden sie ein klein wenig unter ihm nachgegeben.
Delacroix öffnete eine zweite Tür auf die gleiche Weise wie die erste. Dahinter war es warm und trocken und anstelle feuchten Muffs lag ein dezenter Duft nach Zigarrenund Parfum in der Luft. Der Raum erinnerte an eine Vorhalle, er war hoch und wurde durch einen elektrischen Kronleuchter erhellt. Auf dem dunklen, sauberen Dielenboden lagen orientalische Teppiche.
Das Außergewöhnlichste waren jedoch die sauber verputzten Natursteinwände, an denen eine riesige Menge wertvoll aussehender Gemälde in goldenen Rahmen aufgehängt war. Aaros Blick heftete sich auf ein Bild, das aus der Eremitage in St. Petersburg gestohlen worden war und das er im Sommer in der Zeitung gesehen hatte. Waren die anderen Werke etwa auch gestohlen? Konnte Delacroix sie hier ohne Risiko genießen? Warum waren sie nicht auf dem Schwarzmarkt verkauft worden? War Kunst kostbarer als Geld?
»Großartig, nicht wahr?«, sagte Delacroix außer Atem, mit aufrichtigem Stolz in der Stimme. Seine Müdigkeit schien einer neuen Frische gewichen zu sein.
Aaro nickte unsicher.
»Bring ihn ins alte Badezimmer«, sagte Delacroix.
Juliette wies Aaro mit einer Handbewegung den Weg. Auf der anderen Seite der Halle war ein Gang mit mehreren uralten Türen. Die letzte Tür war niedriger als die anderen und hatte eine hohe Schwelle.
Juliette stieß Aaro in den winzigen dunklen Raum und schlug die Tür hinter ihm zu. Aaro drückte das Ohr an die grob gezimmerte Tür, um zu hören, was draußen gesprochen wurde.
»Wie lange halten wir ihn fest?«, fragte Juliette.
»Höchstens bis morgen Abend. Dann ist die Polizeihier, falls sie überhaupt kommt«, hörte Aaro Delacroix sagen.
Dieser Satz lähmte Aaro. Er bestätigte seine Vermutung auf die grausamste Weise. Man hatte ihm erlaubt, die Geheimnisse der Entführer unverhüllt zu sehen. Darum konnte man ihn nicht mehr laufen lassen.
Spätestens am nächsten Abend würde man ihn töten.
42
Die angekreuzte Stelle befand sich im Atlantik, in der Biskaya, knapp hundert Kilometer westlich von Cap Ferret.
Timo schaute auf die Karte und ballte die Fäuste. Laut Radar war die Maschine der Entführer an der gekennzeichneten Stelle ins Meer gestürzt.
»Die ersten Rettungshubschrauber sind vor Ort, bis jetzt gibt es keine Spuren von Überlebenden
«
, meldete der Franzose über das Telefon.
Timo richtete seine Aufmerksamkeit auf die Filzstiftlinie, die auf der Karte die Route des Flugzeugs darstellte. An einigen Punkten in der Alpenregion war die Linie nicht durchgezogen, sondern nur gestrichelt. In diesen Gegenden hatte sich die Maschine im Radarschatten befunden.
Irgendwo dort mussten die Entführer die Maschine verlassen haben. Und Aaro mit ihnen.
Timo biss die Zähne zusammen. Es musste einfach so gewesen sein. Niemand würde eine so planmäßig durchgeführte Aktion mit einem Sturz ins Meer beenden.
Entweder sie hatten Aaro gezwungen, den Schleudersitz zu benutzen, oder er hatte einen Tandemsprung gemacht. Auf jeden Fall mussten die Entführer die Mitnahmeeiner Geisel eingeplant haben. Und sie würden ihre Geisel nicht freilassen, bevor sie in absoluter Sicherheit waren.
Die Geisel freilassen
… Timo holte tief Luft und nahm das Mikrofon in die Hand.
Sie mussten gefunden werden. So schnell wie möglich.
Aaro untersuchte immer wieder von Neuem sein Gefängnis, denn er konnte einfach nicht schlafen. Er ließ den Blick durch den halbdunklen Raum schweifen, der eigentlich nur ein Verschlag war. Eine Seite wurde von einem breiten Kasten aus Brettern
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