Operation Overkill
mittelschwere Kernwaffe gezündet haben. Aber alle weiteren Daten ergeben nicht viel Sinn. Normalerweise enthält der Bericht über seismische Aktivitäten nur die aufgezeichneten 327
Messergebnisse und eine wissenschaftliche Abhand-lung über die mögliche Ursache der Erderschütterung, Aber in diesem Fall liegt ihm eine ganze Reihe hoch komplizierter Anmerkungen von unseren Schlauköpfen in Aldermaston bei.«
Simpson warf einen Blick auf seine Uhr. »Und was besagen diese Anmerkungen – in aller Kürze?«
»Ich bin kein Wissenschaftler«, fuhr Richter fort,
»aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass die Russen allem Anschein nach eine Kernexplosion ausgelöst haben, wie man sie zuvor noch nie festgestellt hat. Die Merkmale dieser Erschütterung, die unsere Seismografen aufgezeichnet haben, passen zu keiner der Waffen, die sie bislang in ihrem Arsenal hatten.
Sie entsprechen auch nicht den Messergebnissen, die sie über sämtliche amerikanischen Bombentypen vorliegen haben. Folglich deutet alles darauf hin, dass es sich um eine völlig neue Waffe handelt.«
Richter hielt inne, worauf Simpson ihm einen prü-
fenden Blick zuwarf. »Und weshalb?«
»Genau das ist der Punkt«, erwiderte Richter. »Die Russen haben also eine neue Bombe entwickelt. Aber wozu?«
Simpson warf erneut einen Blick auf seine Uhr. »Ich muss los«, sagte er und stand auf. »Und was hat das nun genau zu bedeuten?«
»Ich weiß es immer noch nicht«, antwortete Richter.
»Diesen Aufzeichnungen nach zu schließen, deutet alles darauf hin, dass die Russen eine völlig neue Atombombe entwickelt haben. Hinzu kommt der Hinweis, 328
den Kemp uns bei JARIC gegeben hat – dass die nach einem Kernwaffentest üblichen Spuren fehlen. Aber ich begreife nicht, weshalb die Amerikaner so zugeknöpft sind und uns nichts davon verraten wollen.«
»Nun ja«, erwiderte Simpson. »Das kann ich Ihnen vielleicht morgen sagen, denn diese außerordentliche JIC-Sitzung wurde vom Londoner Stationschef der CIA einberufen.«
12
Freitag
Hammersmith, London
Kurz vor acht Uhr morgens wurde Richter von Sheila, Simpsons persönlicher Assistentin, zu Hause angerufen. »Sitzungsraum zwei, um neun Uhr bitte.«
Als Richter in den dritten Stock kam, stellte er fest, dass er nicht der einzige Mitarbeiter war, den man herzitiert hatte. Der Sitzungsraum bot Platz für vierundzwanzig Personen, und als Richter sich setzte, waren nur noch fünf Stühle frei. Simpson saß am Kopfende des Tisches, neben ihm der Direktor der Abteilung Aufklärung. Simpson blickte in die Runde, überzeugte sich, dass alle anwesend und bei der Sache waren, nickte kurz und begann dann. »Wir haben ein Problem«, sagte er ohne jede Vorrede. »Die Einzigen, die bislang etwas von dieser Angelegenheit wussten, waren Richter und meine Wenigkeit, auch wenn ich den Direktor zu gewissen Aspekten dieser Sache um Rat gebeten habe. Der eine oder andere von Ihnen hat sicherlich gehört, dass Graham Newman, der Moskauer Stationsleiter des SIS, tot ist.« Rund um den Tisch wurde betroffenes Gemurmel laut. »Aber Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass Graham Newman nicht bei einem Autounfall ums Leben kam. Das ist 330
nur die offizielle Version, und dabei wird es auch bleiben. Richters Nachforschungen deuten darauf hin, dass Newman höchstwahrscheinlich vom SWR aufgegriffen wurde und beim anschließenden Verhör in Moskau zu Tode kam.« Das Gemurmel schlug in wü-
tendes Geflüster um. »Das ist an sich schon ungewöhnlich, vor allem in Anbetracht der derzeitigen Beziehungen zwischen Ost und West. Aber es kommt noch mehr. Letzte Woche wurde ein außer Dienst gestelltes Spionageflugzeug vom Typ Lockheed SR-71A Blackbird reaktiviert und zu einem geheimen Einsatz über Nordwestrussland geschickt. Die Maschine wurde bei dem Flug leicht beschädigt und verlor Treibstoff, als sie den russischen Luftraum verließ. Sie konnte weder das Rendezvous mit einem ihrer Tankflugzeuge einhalten noch Mildenhall erreichen – wo sie gestartet war –, sondern war gezwungen, auf dem RAF-Stützpunkt Lossiemouth zu landen.«
Schweigend warteten alle auf Simpsons weitere Ausführungen. »Die Bildauswerter von JARIC untersuchten die Kopien der von dem Blackbird aufgenommenen Filme, die uns von den Amerikanern – auf gewissen Druck hin – zur Verfügung gestellt wurden.
Außerdem verglichen sie die Aufnahmen der SR-71A mit den Satellitenbildern eines KH-12, konnten zu-nächst aber nichts Auffälliges feststellen.
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