Operation Overkill
Man entdeckte keinerlei neue militärische Einrichtungen, sodass sich niemand erklären konnte, weshalb die Amerikaner Aufnahmen von dem Gebiet wollten, über dem das Flugzeug eingesetzt wurde.« Einige der An-331
wesenden schauten ihn mit verständnisloser Miene an. »Richter besuchte JARIC, um sich die Filme anzusehen. Als er den Stützpunkt verließ, wurde er von einem Killertrupp angegriffen. Wie man später bei der Untersuchung der Toten feststellte, handelte es sich um Russen.« Simpson blickte ihn unverwandt an, desgleichen alle anderen, die am Tisch saßen.
»Ich hatte Glück«, erklärte Richter. »Sie sind von der Fahrbahn abgekommen.«
»Ganz recht«, sagte Simpson trocken und fuhr fort.
»Richter ist bekannt dafür, dass er über zahlreiche und mitunter auch etwas ausgefallene Kontaktpersonen verfügt, und er konnte einen CIA-Analytiker da-zu überreden, uns ein paar Hinweise bezüglich der Blackbird-Filme zu geben, obwohl sie mit einem NOFORN-Vorbehalt versehen waren. Sein Informant er-klärte, bei diesen Filmen komme es nicht auf das an, was man sehen könnte, sondern auf etwas, das nicht mehr zu sehen sei. Bei weiteren Überprüfungen stellten die Leute bei JARIC fest, dass ein tief in der Bolschesemelskaja-Tundra gelegener Hügel verschwunden war. Wir überlegten zunächst, ob es sich möglicherweise gar nicht um einen Hügel gehandelt habe –
dass es irgendeine getarnte militärische Einrichtung gewesen sein könnte –, kamen aber zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall sei. Richters Informant wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem ver-schwundenen Objekt um etwas völlig Wertloses und sehr Altes gehandelt habe. Außerdem war auf keiner der bei JARIC vorliegenden Satellitenaufnahmen ir-332
gendeine Spur von Aktivität zu erkennen. Daraus schlossen wir, dass es ein ganz gewöhnlicher Hügel war.«
Simpson goss sich ein Glas Wasser ein. »Gestern überprüfte Richter die seismografischen Aufzeichnungen. Daraus ging hervor, dass am Zweiten letzten Monats in der näheren Umgebung des Hügels eine ungewöhnliche seismische Aktivität gemessen wurde.
Ich will nicht so tun, als ob ich alle technischen Details verstünde, aber die Sachverständigen reagierten ziemlich aufgeregt. Offenbar wurde der Hügel mit einer Kernwaffe zerstört, aber einer Waffe, die keine der bekannten Merkmale aufweist. Mit anderen Worten, es handelt sich um einen neuen Bombentyp.«
Er wechselte das Thema. Simpsons Vorträge waren schon immer gut gewesen – kurz, schlüssig und aufs Wesentliche beschränkt. Niemand schlief ein, wenn er sprach. »Gestern Abend habe ich an einer außeror-dentlichen Sitzung des Joint Intelligence Committee teilgenommen, die in mehr als einer Hinsicht außerordentlich war. Zunächst einmal wurde sie vom hiesigen Stationschef der CIA einberufen – von Roger Abrahams, der von einem gewissen John Westwood begleitet wurde. Er ist Leiter der Auslandsaufklärung bei der CIA – ein hohes Tier in Langley. Und außerdem wurde kein Protokoll geführt. Niemand aus dem Sekretariat durfte daran teilnehmen, und alle Anwesenden wurden zu strengstem Stillschweigen ver-pflichtet. Roger Abrahams und John Westwood, die den Vorsitz übernahmen, erzählten uns eine sehr inte-333
ressante Geschichte. Eine Geschichte, deren Ausgang derzeit noch nicht abzusehen ist. Deshalb sind Sie in diesem Augenblick alle hier. Die CIA benötigt unsere Hilfe. Die Gründe dafür werden Ihnen später klar werden. Zunächst eine Lektion in Sachen Geschichte, die ich so kurz wie möglich halten werde. Im Anschluss an die Machtübernahme durch Gorbatschow und Jelzin kam es zu grundlegenden Veränderungen in der russischen Gesellschaft. Das Land öffnete sich dem Westen und dessen Gedankengut, doch dadurch entstanden nur neue Probleme, ohne dass die alten gelöst werden konnten. So sagten sich zum Beispiel einige ehemalige Mitgliedsstaaten der einstigen UdSSR von der Union los und erklärten ihre Unabhängigkeit. Namen wie Tschetschenien, Kasachstan oder Usbekistan waren in aller Munde, für gewöhnlich im Zusammenhang mit heftigen Aufständen gegen Moskau und die russische Regierung. Natürlich hatte niemand erwartet, dass die Umgestaltung Russlands in einen modernen Staat westlicher Prägung ohne jede Schwierigkeiten vonstatten gehen würde, doch es galt mehr Hürden und Hindernisse zu überwinden, als man vorausgesehen hatte. Statt der erhoff-ten Aufbruchsstimmung machte sich in weiten Teilen der Bevölkerung der
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