Operation Overkill
Anordnungen waren eindeutig. Die Sicherheit des amerikanischen Volkes ist vorrangig, deshalb werden wir spätestens am Zehnten von DEFCON FOUR zu DEFCON ONE übergehen.
Der Präsident wird an diesem Abend den Startbefehl für die Bomber und die Tankflugzeuge erteilen. Sie werden zu den vorgegebenen Positionen fliegen und dort in Wartestellung bleiben, bis der Präsident ent-450
scheidet, ob sie angreifen und ihre Waffen einsetzen oder zu den Stützpunkten zurückkehren sollen. Die Navy wird spätestens am Morgen des Neunten ihre U-Boote in Position bringen, und am Zehnten wird der Countdown für alle einsatzbereiten strategischen Atomraketen beginnen. Die Raketen werden innerhalb von fünf Minuten startbereit bleiben, bis die Russen ihren Angriff durchführen oder der Präsident davon überzeugt ist, dass keine Gefahr besteht beziehungsweise die Krise vorüber ist. Der Präsident wird vermutlich die ganze Zeit über in Washington sein oder sich mit seiner Familie nach Camp David zu-rückziehen. Er möchte den Medien so wenig Anlass zu Spekulationen wie nur irgend möglich geben. Au-
ßerdem meint er, dass es zur Ermutigung des amerikanischen Volkes beiträgt, wenn er in Washington bleibt. Aber unabhängig davon, wie seine Entscheidungen ausfallen werden, hat er bereits angeordnet, dass die obersten militärischen Berater am Nachmittag des Zehnten mit der Nightwatch-Maschine starten sollen.«
Walter Hicks schwieg einen Moment lang. »Meine Herren«, sagte er schließlich, »der amerikanische Militärapparat geht davon aus, dass es zum Kriegszustand kommt, und beim geringsten Anzeichen einer Provokation von Seiten Russlands gedenkt der Präsident sofort anzugreifen.«
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Sonntag
Minsk, Belorussland
Die Zivilbediensteten in der SWR-Zentrale hatten an den Fenstern separate Tische für die zu Gast weilenden hohen Offiziere gedeckt. Als Nikolai Modin kurz nach sechs Uhr morgens etwas steif die Treppe hinunter-stieg, stellte er fest, dass Wiktor Bykow bereits am Frühstückstisch saß, starken schwarzen Kaffee trank und die Lokalzeitung las. Die beiden Männer nickten einander zu, und sobald Modin Platz genommen hatte, eilte einer der Bediensteten herbei, um seine Bestellung entgegenzunehmen. Modin musterte die Teller mit Schwarzbrot, Käse, Salami und Backwerk, die bereits auf dem Tisch standen, und bat nur um einen Kaffee.
»Nun, General«, sagte Bykow. »Heute beginnen wir mit der letzten Phase.«
Modin nickte und griff zu einem Hörnchen. »Es wird eine lange und beschwerliche Reise werden, Wiktor«, sagte der ältere Mann. »Nilow, mein Adjutant in Jasenewo, hat einen Zeitplan für mich aufgestellt. Er stellt«, fügte Modin nachdenklich hinzu, »für fast alles Zeitpläne auf.«
Bykow nickte und lächelte. »Das habe ich schon ge-hört«, murmelte er.
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Modin blickte Bykow an und lächelte ebenfalls.
»Ohne den jungen Mann wäre ich ziemlich aufge-schmissen«, sagte er. »Jedenfalls hat er ausgerechnet, dass wir etwa achtzehnhundert Kilometer fahren müssen, bis wir zur französischen Grenze kommen.
Folglich haben wir wenig Spielraum, wenn wir rechtzeitig in London sein wollen. Nilows Schätzung zufolge müssten wir am Dienstagvormittag an der französischen Grenze und am Mittwochmorgen in London sein.«
»Wann soll der Konvoi aufbrechen?«, fragte Bykow.
»Um halb sieben«, erwiderte Modin. »Wir haben zwei Fahrer für jedes Fahrzeug, können also davon ausgehen, dass wir notfalls zwölf Stunden am Tag durchfahren können. Nilow ging bei seinen Schätzungen von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünfzig Kilometern pro Stunde aus, was ohne weiteres zu schaffen sein müsste. Viel hängt allerdings von den Grenzabfertigungen ab«, fügte er hinzu. »Aber da wir als Diplomaten reisen, sollten wir bevorzugt behandelt werden.«
Bykow nickte. Beide Männer aßen ein paar Minuten lang schweigend. Dann stellte Modin seine Kaffeetasse hin, wischte sich mit seiner Serviette den Mund ab und warf einen Blick auf seine Uhr. »Zwanzig nach sechs«, sagte er. »Wir sollten aufbrechen.«
Bykow nickte und stand auf. Ein Bediensteter kam auf die beiden Männer zu und reichte Bykow eine große braune Papiertüte. Modin schaute ihn an.
»Marschverpflegung und Getränke«, erklärte Bykow.
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»Wie Sie schon sagten, General, es wird eine lange Fahrt.«
Die beiden Männer verließen das Gebäude über die Hintertreppe und stiegen hinab in den Hof. Der Sattelschlepper stand mit laufendem Motor an der
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