Operation Overkill
hinteren Mauer. Mitten auf dem Hof parkten zwei hellblaue Mercedes-Limousinen hintereinander, und ein schwarzer Mercedes wartete am Fuß der Treppe.
Als Bykow und Modin auftauchten, stieg der Fahrer aus, öffnete die Hintertür und salutierte zackig. Modin salutierte ebenfalls, stieg aber noch nicht ein. Stattdessen ging er zu einer kleinen Gruppe von Männern –
lauter Speznas -Leute in Zivil –, die neben den Mercedes-Limousinen standen. »Alles klar, Hauptmann?«, fragte Modin, als er neben einem großen, stattlichen Mann stehen blieb.
Die Männer nahmen sofort Haltung an, und der Hauptmann salutierte und nickte dann. »Ja, General.
Wir sind bereit.«
»Sehr gut«, erwiderte Modin. Er ging zu dem Sattelschlepper, wechselte ein paar Worte mit den Fahrern und kehrte dann zu dem schwarzen Mercedes zurück. »Gut, Wiktor«, sagte er. »Los geht’s.«
Dreißig Sekunden später fuhr eine der blauen Mercedes-Limousinen vom Hof, gefolgt von dem Sattelschlepper und der zweiten Limousine. Bykow nickte ihrem Fahrer zu, worauf sich der schwarze Mercedes dem Konvoi anschloss. Um sieben Uhr fünfzehn lie-
ßen die vier Fahrzeuge die letzten Vororte von Minsk hinter sich und fuhren nach Südwesten, in Richtung 454
Brest, an der polnischen Grenze gelegen, wo sie gegen halb zwölf eintreffen würden.
Anton Kirow
Oberst Pjotr Saworin öffnete eine weitere Flasche Scotch und goss in jedes der beiden Gläser einen or-dentlichen Schuss ein. »Auf Ihr Wohl, Kapitän«, sagte er und trank einen Schluck.
Waleri Bondarew hob pflichtschuldig sein Glas und trank ebenfalls. Er mochte den brennenden braunen Schnaps – von dem Saworin offenbar unbegrenzte Vorräte hatte – nicht besonders. Ein anständiger Wodka wäre ihm lieber gewesen. Aber Saworin hatte das Sagen, und Bondarew war der Ansicht, dass es nichts schaden konnte, wenn er ihm einen Gefallen tat.
»Wir sind gut vorangekommen, Waleri«, sagte Saworin und stellte sein Glas auf den Beistelltisch. Sie saßen wie üblich in der Kabine des Kapitäns. Eine halbe Stunde zuvor war die Nachricht aus Moskau eingegangen, und der anonyme Absender hatte er-klärt, dass er sehr zufrieden sei, als Saworin, der aus dem Schlaf gerissen worden war, die derzeitige Position der Anton Kirow durchgegeben hatte.
»Keine weiteren Änderungen, Oberst?«, fragte Bondarew.
Saworin schüttelte den Kopf. »Nein, keine weiteren Änderungen. Wir halten Kurs auf Gibraltar und soll-455
ten bis Dienstagmorgen dort sein. Wir haben reichlich Zeit, glaube ich.«
Bondarew nickte. »Ja, wir haben jede Menge Zeit.
Und was dann?«
»Wir warten«, erwiderte Saworin. »Wir warten in Gibraltar, bis man uns weitere Anweisungen erteilt.«
Er trank einen weiteren Schluck Whisky. »Eigentlich sollte ich Ihnen das nicht sagen, Kapitän, aber wir haben gut zusammengearbeitet, und meiner Meinung nach haben Sie ein Recht darauf, es zu erfahren.« Er hielt inne, und Bondarew beugte sich gespannt vor.
»Erstens, eine der Kisten mit der Ausrüstung, die wir in Warna an Bord genommen haben, ist für eine kleine Firma in Gibraltar bestimmt, die von einem unserer Agenten geleitet wird. Aber wir laufen Gibraltar vor allem deshalb an, weil wir ein kryptografisches Gerät der Amerikaner in Empfang nehmen sollen – einen Verschlüsselungsapparat, den unsere Agenten beschaffen konnten. Er wird vermutlich von einem kleinen Boot gebracht werden, während wir am Kai liegen. Sobald dieser Apparat an Bord ist, werden wir Gibraltar verlassen.«
Saworin lächelte freundlich, und Bondarew nickte.
Er hatte so etwas Ähnliches vermutet. Das Schiff war praktisch für irgendeine Spionagegeschichte, die man in Moskau in die Wege geleitet hatte, gekapert worden. Wenigstens zeichnete sich jetzt ein Ende ab. Sobald der Verschlüsselungsapparat an Bord war, konnte die Anton Kirow wieder Kurs in Richtung Osten nehmen und ins Schwarze Meer zurückkehren. Viel-456
leicht, überlegte Bondarew, sollte er Saworin vorschlagen, irgendwo unterwegs Fracht zu laden. Zur Tarnung sozusagen. Er fragte sich zum ersten Mal, ob auf dieser Fahrt vielleicht doch noch etwas für ihn he-raussprang – vielleicht hatte er nicht nur seine Zeit vergeudet. Bondarew stand auf und lächelte. »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Oberst. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Ich muss wieder auf die Brücke.«
»Natürlich.« Als der Kapitän die Tür hinter sich geschlossen hatte, trank Saworin den letzten Schluck Scotch. Er war ziemlich zufrieden mit seiner
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