Operation Overkill
gebucht hatte.
Mit seinem echten Pass – den er in das Futter seiner Reisetasche eingenäht hatte – kam er auch nicht wei-916
ter. Die russische Bürokratie war zwar langsam, aber gründlich – immerhin hatte man hier jede Menge Übung. Ehe ein Mr. Richter aus Russland ausreisen konnte, musste er erst einmal eingereist sein – und dazu musste er ein Visum vorlegen.
Richter konnte nur hoffen, dass Gremiakins Mitteilung noch nicht allzu weit vorgedrungen war – dass er entwischen konnte, ehe die Jagd auf ihn richtig losging. Der Geleitschutz der Botschaft könnte vielleicht ganz hilfreich sein, falls sich seine Erwartungen nicht erfüllen sollten.
Payne kam persönlich mit, desgleichen der Zweite Sekretär. Dreizehn Minuten nach drei, wie üblich rund zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit, stiegen sie am Flughafen Scheremetjewo II aus dem Wagen.
Draußen fiel Richter keinerlei ungewöhnliches Polizei-oder Milizaufgebot auf, und auch in der Haupthalle war alles so wie immer. Er meinte bereits, alles wäre gut gegangen, als er jemanden sah, den er kannte und der auf ihn zukam.
»Mr. Beatty. Wollen Sie uns schon wieder verlassen?« Wiktor Grigorewitsch Bykow trug eine Gene-ralsuniform, in der er etwas anders wirkte als in dem Anzug, den er angehabt hatte, als Richter ihn am Rande einer Autobahn in Frankreich zum letzten Mal gesehen hatte. Hinter ihm sah er zwei jüngere Offiziere in Uniform, beide mit umgeschnallten Dienstwaf-fen, die allem Anschein nach auf Bykows Anweisungen warteten.
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»General Bykow«, sagte Richter und rang sich ein Lächeln ab. »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung. Ja, ich möchte so schnell wie möglich nach Hause.«
»Davon bin ich überzeugt.« Der Russe lachte leise,
»Und ich möchte Sie verabschieden. Aber zunächst«, sagte er, »kommen Sie kurz mit. Wir müssen etwas besprechen.«
Richter bedeutete Payne und dem Zweiten Sekretär, dass sie in der Nähe bleiben sollten, und folgte Bykow zu einer Sitzreihe. »Also«, sagte Bykow. »Weshalb sind Sie hier? Trotz Ihrer schicken neuen Krawatte« –
er deutete auf den silbernen Greyhound – »sind Sie doch sicherlich nicht zum Botenläufer der Königin degradiert worden.« Richter schüttelte den Kopf.
»Dann wollten Sie sich vielleicht unsere berühmten Kunstschätze ansehen?«
Wieder schüttelte Richter den Kopf. »Ich bin kein Tourist, General.«
Bykows Lächeln verschwand. »Das weiß ich, Mr.
Beatty. Ich weiß, weshalb Sie hier sind, jedenfalls meine ich es zu wissen.« Er hielt inne, beugte sich vor und schaute Richter unverwandt an. »Ich könnte Sie aufgrund Ihres Eingriffes in unsere Operation liquidieren lassen. Über vier Jahre hat es gedauert, alles vorzube-reiten, die Waffen zu bauen und in Position zu bringen. Und dann kommen Sie daher und machen in ein paar Stunden alles zunichte.«
Richter schüttelte den Kopf. »Von mir werden Sie kein Wort des Bedauerns hören, General.«
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»Das hatte ich auch nicht erwartet«, erwiderte Bykow.
»Und ich glaube auch nicht«, sagte Richter, »dass dieses Unternehmen allein auf Ihrem Mist gewachsen ist. Wir haben nicht schlecht gestaunt, als unverhofft ein Haufen Araber auftauchte, die ihrerseits die Welt-herrschaft an sich reißen wollten. Was durchaus hätte klappen können«, fügte er hinzu, »wenn die Bomben in Amerika hochgegangen wären.«
Bykow verzog das Gesicht. »Sie dürften bei weitem nicht so überrascht gewesen sein wie wir«, sagte er.
»Offensichtlich war das Minister Truschenkos persönliches Geheimnis. Aber weder er noch irgendjemand anders konnte auch nur ahnen, dass sie insgeheim ih-re eigenen Ziele verfolgten. Im Grunde genommen sind wir Ihnen und den Amerikanern zu Dank ver-pflichtet, weil Sie sie daran gehindert haben. Und die Sache mit Abilene bedauern wir aufrichtig. Wir hatten niemals die Absicht, eine der Waffen zu zünden, das müssen Sie uns glauben – die Waffen in Amerika sollten nur eine Bedrohung darstellen, ein Pfund, mit dem man wuchern kann.« Bykow schwieg einen Moment. »Genosse Gremiakin ist heute nicht zum Dienst erschienen«, sagte er dann. Er schaute Richter erwartungsvoll an. Der meinte förmlich zu spüren, wie sich das Netz enger zusammenzog.
»Vielleicht fühlt sich der Genosse Gremiakin unwohl«, erwiderte Richter.
Bykow musterte ihn mit prüfendem Blick. »Er ist nicht in seiner Wohnung. Niemand hat ihn seit gestern 919
Abend gesehen. Er rief unsere Sicherheitskräfte an und teilte ihnen
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