Operation Overkill
den mittleren Teil der Filme konzentriert. Die Amerikaner haben vier Kameras eingesetzt, zwei verschiedene Typen. Bei den Hauptkameras handelte es sich um die üblichen Gerä-
te mit hoher Auflösung, wie sie in den meisten Flug-zeugen dieses Typs verwendet werden, ähnlich den Geräten, mit denen auch die so genannten Spionagesatelliten bestückt sind. Die beiden Kameras des Blackbird waren hochmodern, vor allem, was die Optik angeht. Dem Aussehen nach zu schließen, aber auch aufgrund der Filmqualität schätzen wir, dass sie nahezu die maximale theoretische Auflösung haben.«
»Und wo liegt die?«, fragte Richter.
»Die wird von den Gesetzen der Physik und der Hö-
he des Kameraträgers bestimmt. Bei Satelliten, die in der üblichen Erdumlaufbahn fliegen, liegt sie bei knapp unter vier Zoll. Der Blackbird fliegt natürlich erheblich tiefer, daher ist die Auflösung höher – in diesem Fall bei knapp unter zwei Zoll. Ich will das mal etwas verständlicher ausdrücken. Wenn Sie auf einer Parkbank sitzen und die Zeitung lesen, und eine dieser Kameras würde Sie aus einer Höhe von rund fünfundzwanzigtausend Metern fotografieren, könnte man auf dem Film zwar nicht unbedingt die Schlagzeilen lesen, aber man könn-te erkennen, um welche Zeitung es sich handelt.«
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»Sehr eindrucksvoll«, sagte Richter.
»Sie würden sich wundern, was das Auge am Himmel alles sehen kann und im Grunde genommen schon seit geraumer Zeit sehen konnte. Jedenfalls arbeiteten diese Kameras unabhängig voneinander und schossen jede halbe Sekunde ein Bild von einem schmalen Landstrich, wobei die eine mit Schwarz-weißfilm lief, die andere mit Farbfilm, beides High-Speed-Material. Die beiden anderen Kameras waren weit weniger raffiniert. Sie liefen parallel und schossen alle zwei Sekunden ein Bild. Offensichtlich sollten sie stereoskopische Fotos von dem ganzen Gebiet liefern, das der Blackbird überflog.«
Als Kemp kurz innehielt, klopfte es an der Tür, sodass Richter davon ausging, dass der Betreffende gewartet hatte, bis Kemp verstummt war. Die Tür ging auf, und zwei Männer und eine junge Frau kamen herein. Richter betrachtete sie zuerst, weil er Frauen immer zuerst anschaute. Sie trug die Uniform des WRNS (Women’s Royal Naval Service), der weibli-chen Seestreitkräfte, mit den Rangabzeichen eines Sub Lieutenant – früher, bevor die Navy auch Frauen zur See fahren ließ, war das ein Dritter Offizier –, und Richter wunderte sich bei ihrem Anblick. Nicht wegen ihr persönlich, sondern weil sich eine WRNS in einer streng geheimen Anlage der RAF aufhielt. Sie hatte große blaue Augen und eine blonde Haarmähne, die derzeit straff nach hinten gekämmt und vorschrifts-mäßig zu einem Dutt gebunden war. Aber Richter ging davon aus, dass sie sie offen trug, sobald sie au-213
ßer Dienst war. Die beiden RAF-Offiziere wirkten dagegen blass und unscheinbar. Kemp winkte sie alle zu sich und stellte sie vor.
»Lieutenant Commander Richter, ich möchte Sie mit dem Team bekannt machen, das seit Sonntagabend bis tief in die Nacht über diesen Filmen gebrütet hat. Allen voran Sub Lieutenant Penny Walters, die im Aus-tauschprogramm mit der Royal Navy bei uns ist.«
Sie lächelte Richter an. Er schenkte ihr seinerseits sein freundlichstes Lächeln und wandte sich an Kemp.
»Ich weiß nicht, wen Sie im Austausch geschickt haben, aber ich glaube, Sie haben das bessere Geschäft gemacht.«
Kemp lachte, und sie errötete leicht.
»Von unserer Seite gehören Flight Lieutenant Keith George und Flying Officer Dick Tracey dem Team an.
Dick heißt eigentlich William, aber er wird Dick genannt, seit er nach Cranwell kam, und ich glaube, er hat sich allmählich daran gewöhnt.«
Richter sagte, er freue sich, sie kennen zu lernen, worauf sie mit einem gemeinsamen »Guten Morgen, Sir« antworteten.
Anschließend gab Kemp bekannt, dass er mit den allgemeinen Erklärungen fast fertig sei, und bat die drei, Platz zu nehmen.
»Was Sie hier sehen werden, ist eine sehr ungewöhnliche Präsentation der Bilder, die wir erhalten haben. Wie schon gesagt, nehmen wir uns grundsätzlich Einzelaufnahmen einer Bildsequenz vor, die wir mit dem Schieboskop auf einem Leuchttisch bezie-214
hungsweise am Computer betrachten. Da Sie kein ausgebildeter Bildauswerter sind, dachten wir uns, dass Sie auf diese Weise gar nichts erkennen können, und entschieden uns daher für eine ganz andere Prä-
sentation. Die Masse des uns zur Verfügung stehenden Materials
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