Operation Overkill
Kofferraum des vorderen Wagens, dann hielt er Westwood die hintere Tür auf.
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»Hallo, John«, sagte der Mann, der auf der Rück-bank saß. Westwood setzte sich und schaute ihn verdutzt an. Die dichten schwarzen Haare, das tief zerfurchte Gesicht, die dunkelblauen, fast schwarzen Augen und die große Nase kamen ihm irgendwie bekannt vor, aber es dauerte einen Moment, bis er den Mann einordnen konnte. Dann lächelte er und streckte die Hand aus. »Sorry, Roger«, sagte er. »Muss am Jetlag liegen, oder an meinem schlechten Personengedächtnis. Ist ja auch mindestens sieben Jahre her.«
Roger Abrahams schüttelte den Kopf. »Acht«, erwiderte er. »Es war in Bonn. Du bist der Stationschef gewesen, und ich war im letzten halben Jahr dein Stellvertreter, bevor du wieder über den großen Teich bist und Karriere gemacht hast.« Abrahams wandte sich nach vorn. »Okay, Richard«, sagte er. »Fahren wir los.«
Barron nickte dem Fahrer zu, worauf sich der Wagen in den Morgenverkehr einfädelte. Hinter ihnen fuhr der zweite Wagen los und folgte ihnen im Abstand von fünfzig Metern.
»Ich habe in Langley zwar nachgelesen, wer die Station London leitet«, sagte Westwood, »aber mir war nicht klar, dass du das bist. Du hast dich gemacht.«
»Danke«, murmelte Abrahams. »Du hast mir in Deutschland ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt, und das hat mir geholfen. Nun, wo liegt das Problem?
Was führt den Leiter der Abteilung Auslandsaufklä-
rung nach London?«
Westwood zögerte einen Moment, bevor er antwor-206
tete. »Nimm’s mir nicht übel, Roger«, sagte er, »aber damit möchte ich lieber warten, bis wir an einem sicheren Ort sind. Es geht um Kontaktpflege, aber dabei sollten wir es vorerst auch belassen.«
Abrahams nickte. »Alles klar. Ich habe in der Botschaft ein Zimmer für dich vorbereiten lassen, aber ich kann dich auch in einem Hotel unterbringen, wenn dir das lieber ist.«
»Nein, die Botschaft ist bestens.« Westwood schwieg einen Moment lang. »Ich habe nicht viel Zeit«, sagte er,
»deshalb möchte ich so schnell wie möglich loslegen.
Wir brauchen ein abhörsicheres Besprechungszimmer, und ich möchte zunächst mit dir allein reden.«
Abrahams nickte. »Kein Problem«, erwiderte er.
»Willst du vorher etwas essen oder eine Runde schlafen?«
»Nein, ich habe im Flugzeug geschlafen, und ich habe keinen Hunger. Eine Kanne Kaffee genügt.«
»Gut.«
Die beiden Autos beschleunigten und fädelten sich in den Verkehr auf der M4 ein.
Joint Air Reconnaissance Intelligence Centre,
RAF Brampton, Huntingdon, Cambridge
Richter ging mit Kemp einen kurzen Gang entlang, der zu einer geschlossenen Tür mit der Aufschrift
»Hochsicherheitsbereich. Unbefugten ist der Zutritt verboten« führte. Kemp blieb vor einem kleinen Schal-207
ter an der rechten Wand stehen. »Squadron Leader Kemp. Ich möchte einen Besucherausweis für Commander Richter.« Er winkte Richter zu sich. »Unter-schreiben Sie hier und tragen Sie Ihren Namen und Dienstrang ein.«
Richter tat, wie ihm geheißen, gab seinen Marine-ausweis ab und erhielt seinerseits eine hellrote, in Plastik eingeschweißte Karte mit einem großen schwarzen »V« und einer etwas kleineren »4«. Der Posten hinter der Panzerglasscheibe entriegelte die elektronisch gesicherte Tür, die mit einem leisen Klicken aufging.
Als sie in dem fensterlosen Betrachtungsraum waren, griff Kemp zum Telefon und wählte eine Nummer. »Squadron Leader Kemp. Commander Richter und ich sind im Betrachtungsraum. Wir möchten uns so schnell wie möglich die Filme von dem Blackbird ansehen. Schicken Sie bitte auch die Offiziere zu uns, die sich mit den Filmen beschäftigt haben. Ach, und vielleicht könnten Sie auch ein bisschen Kaffee auf-treiben.« Er hörte kurz zu, nickte und legte auf. »Es wird etwa zehn Minuten dauern, bis die Filme einge-legt sind. Vielleicht sollte ich Ihnen bis dahin kurz er-klären, was Sie sehen werden.«
»Danke«, erwiderte Richter. »Zunächst mal eine Frage. Dem Schild an Ihrer Tür nach zu schließen, sind Sie Sicherheitsoffizier – SSyO –, aber anscheinend kennen Sie diese Filme und wissen auch, woher sie die RAF hat. Sind Sie auch für die Auswertung von Aufklärungsfotos zuständig?«
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Kemp ging zu dem Lesepult am anderen Ende des Raums und lehnte sich dagegen. »Ja«, sagte er. »Jeder, der hier tätig ist, wurde dazu ausgebildet, Luftaufklä-
rungsaufnahmen auszuwerten. Sicherheitsoffizier bin ich nur nebenher. Meistens sitze
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