Operation Overkill
DBS-Empfänger angeschlossen war, ein Hochfrequenzgerät für Satelliten-funk. Die Anton Kirow hatte noch kaum eine Viertelstunde am Ladekai gelegen, als er die letzte Feineinstellung der Schüssel vorgenommen und eine Test-meldung vom Satelliten empfangen hatte.
Der Offizier überprüfte ein letztes Mal alle Anschlüsse, nahm dann seinen Werkzeugkasten und nickte den Männern zu, die neben ihm standen. Sie stellten die Seitenwand der Kiste auf, nagelten sie wieder fest und verschraubten den Deckel. Das Gerät funktionierte. Und es war hier gut aufgehoben, bis es seinen Bestimmungsort erreichte.
London
Den Foreign Operations Executive gab es offiziell gar nicht, und offiziell hatte er auch nichts mit dem SIS zu tun, obwohl er nur in dessen Auftrag tätig wurde und Einsätze durchführte, von denen man dort nichts wissen wollte. Den Secret Intelligence Service – allgemein bekannt als MI6, auch wenn es nicht stimmt – gab es offiziell ebenfalls nicht. Was wiederum hieß, dass Richter bei einem offiziell nicht existierenden Arbeitgeber beschäftigt war, der für einen Auftraggeber ar-273
beitete, den es offiziell auch nicht gab. Kein Wunder, dass ihn der Filialleiter immer so zweifelnd anschaute, wenn er in die Bank kam.
Der MI6 wurde im Juli 1909 auf die Empfehlung eines Unterausschusses von Haldanes Committee of Imperial Defence hin gegründet. Man wollte damit al-le geheimdienstlichen Aktivitäten unter einem Dach vereinen, doch das erwies sich als nicht durchführbar, und bereits 1910 fand die bis heute bestehende Unter-teilung in MI5 und SIS statt. Der MI5, besser bekannt als Security Service, wurde mit der Spionageabwehr in Großbritannien betraut, während der SIS für die Auslandsaufklärung zuständig war.
Seit 1910 aber lässt die Zusammenarbeit der beiden Dienste mehr als zu wünschen übrig, und gelegentlich kam es sogar zu offenen Feindseligkeiten. Diese Feindschaft hatte – zumindest teilweise – zur Gründung des FOE geführt, einem eigenständigen und streng geheimen Ableger des SIS. Wenn der FOE die schmutzigen Aufträge übernahm, konnte sich der SIS
jederzeit davon distanzieren, falls irgendetwas schief ging, und der MI5 bekam niemanden zu fassen.
Im Jahr 1994 zog der SIS vom Century House, einem gesichtslosen, dreiundzwanzigstöckigen Gebäude nahe der U-Bahn-Station Lambeth North, im Volksmund als
»Spukhaus« bezeichnet, in einen unmittelbar an der Themse gelegenen Neubau am Vauxhall Cross, dessen moderne Architektur ihm allerlei Spitznamen eintrug
– »Aztekenpalast« ist vermutlich noch einer der freundlichsten. In Vauxhall Cross herrschen die glei-274
chen strengen Sicherheitsvorkehrungen wie beim FOE. Jeder, der das Gebäude betritt, wird kontrolliert; auf den Schreibtischen dürfen keinerlei Akten herumliegen; im Aufzug sind jegliche Dienstgespräche untersagt. Es könnte ja sein, dass der Mann mit dem Wassereimer und dem Waschleder, der sich in der Ecke herumdrückt, nicht Bob, der Fensterputzer ist, sondern ein russischer Kulturattache.
Deshalb konnte auch Richter nicht einfach so in Vauxhall Cross auftauchen. An der russischen Botschaft war ein Wachtrupp beschäftigt, der die Aufgabe hatte, jeden zu fotografieren, der das Gebäude betrat. Ein weiterer Trupp beobachtete die amerikanische Botschaft am Grosvenor Square, ein dritter das Thames House, einen wuchtigen, in den dreißiger Jahren errichteten Steinbau nördlich der Lambeth Bridge, in dem sich die Zentrale des MI5 befindet, dazu dessen Außenstellen an der South Audley Street, der Grosvenor Street und der Gower Street. Aber auch einige konspirative Treffpunkte des SIS in London wurden regelmäßig überwacht – und vor allem das Ausbildungslager des SIS in Fort Monkton in der Nä-
he von Gosport, Hampshire.
Der SIS wiederum hatte ständig Beobachtungs-trupps vor der russischen Botschaft an den Kensington Palace Gardens Nummer 13 und dem Konsulat am Highgate West Hill Nummer 33 postiert, aber auch vor allen anderen ausländischen Botschaften in London.
Der größte Nutznießer des Ganzen war natürlich 275
die Firma Kodak. Aber aus ebendiesem Grund war es allen Mitarbeitern des FOE untersagt, Vauxhall Cross, irgendeine andere Niederlassung von MI5 oder SIS
oder die amerikanische Botschaft zu betreten – weil man nicht wollte, dass ihre Bilder in der SWR-Zentrale in Moskau landeten. Was andererseits aber auch hieß, dass man sich irgendwo anders treffen musste, wenn Mitarbeiter des FOE mit ihren Kollegen von
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