Operation Romanow
Ersatzmutter.
Katerina hüpfte mit der Stoffpuppe in der Hand, die ihr Jakow zum Geburtstag geschenkt hatte, auf ihn zu und sah ihn mit großen Augen bettelnd an. »Bleibst du heute Nacht hier, Papa? Tante Irina hat gesagt, du kannst in meinem Bett schlafen, und sie kocht dir etwas zum Abendessen. Bleibst du?«
Jakow setzte seine Tochter auf seinen Schoß und küsste sie auf die Wange. »Papa hat dir doch erklärt, dass er arbeiten muss, mein Schatz.«
»Tante Irina hat gesagt, dass du und Onkel Jegor immer für den Genossen Lenin arbeiten müsst. Kannst du denn nicht bleiben? Er muss ein sehr egoistischer Mann sein, dass er euch immer arbeiten lässt. Ist er egoistisch, Papa?«
»Nein, er wird die Welt zum Besseren verändern, Katerina.«
»Einige Kinder in meiner Klasse sagen, er ist ein guter Mann, weil er uns vom Zaren befreit hat. Andere sagen, er ist böse, weil er so viele Menschen tötet. Ist er nun gut oder böse, Papa?«
Ehe Jakow ihr antworten konnte, winkte ihn Soba, der sich mit dem Glas in der Hand aus dem Fenster lehnte, zu sich. »Das musst du dir ansehen!«
Jakow ließ Katerina, deren Interesse schon wieder ihren Freundinnen galt, von seinem Schoß klettern. Sie gab ihm einen dicken Kuss und lief zu den anderen Mädchen.
Dann trat Jakow ans Fenster. Ein glänzender, schwarzer Mercedes mit offenem Verdeck und Chauffeur hielt vor dem Haus. Zwei mit Soldaten beladene Fiat-Lastwagen folgten ihm. Sie sprangen von der Ladefläche und hielten Wache.
Leo Trotzki stieg aus dem Mercedes. Jakow erkannte den Mann mit der zerzausten Mähne und den vertrauten Gesichtszügen sofort. Er schwang seinen Offiziersstab und trug einen ledernen Sam-Brown-Gürtel mit Holster.
»Nur das Beste für Trotzki«, sagte Soba verkniffen. »Er lässt sich in diesem Mercedes durch Moskau kutschieren, als wäre er der Zar persönlich. Und ich muss mich mit einem Stehplatz in der dreckigen Straßenbahn begnügen!«
»Hört sich fast so an, als würdest du deine Illusionen verlieren.«
Soba nippte lächelnd an seinem Wodka. »Wenn du mir so ein Auto schenkst, dann nicht. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem der Kriegskommissar dich besucht. Ich dachte, du hättest alles im Kreml erledigt. Was will er?«
Trotzki betrat mit zwei bewaffneten Soldaten das Haus. Jakow hörte ihre Schritte auf der Treppe, als sie zur Wohnung hinaufstiegen. Er knöpfte sich den Hemdkragen zu und zog sein Jackett glatt. »Das werden wir gleich erfahren.«
Sie hörten ein Klopfen an der Tür. Sobas Frau öffnete sie. Als sie Trotzki erkannte, presste sie eine Hand auf den Mund und wich zurück. Er sah so arrogant aus wie immer, als er seinen Hut abnahm, ihn unter den Arm klemmte und auf Jakow zuging. Er warf Soba einen abfälligen Blick zu. Der Georgier verstand den Wink und verschwand.
Trotzki beobachtete die Kinder. »Störe ich, Jakow?«
Jakow zeigte auf Katerina. »Meine Tochter hat heute Geburtstag.«
Trotzki zog seine Lederhandschuhe aus. »Ich habe Ihre Frau auf Parteiversammlungen getroffen. Sie war eine vorbildliche Kommunistin, Genosse. Ihr Tod muss für Sie beide ein schwerer Verlust gewesen sein. Sie müssen sich eine andere Frau suchen, Jakow. Kinder brauchen Eltern.«
»Katerina und ich kommen zurecht. Welchem Umstand verdanke ich die Ehre Ihres Besuchs, Genosse Kommissar?«
Trotzkis Ton klang plötzlich ein wenig verärgert. »Offen gestanden war ich enttäuscht, als ich hörte, dass Sie noch immer in Moskau sind. Ich dachte, Sie wären inzwischen auf dem Weg nach Sankt Petersburg, um Juri Andrew zu jagen.«
»Mein Zug ist jederzeit abfahrbereit. Aber ich glaube, das wäre sinnlos.«
»Warum?«
»Andrew ist ein durchtriebener, cleverer Mann, und er wird nie lange am selben Ort bleiben. Er wird mit Sicherheit versuchen, Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen. Ihre Wohnung wird Tag und Nacht beobachtet.«
Trotzkis Augen funkelten böse. »Sie sitzen hier und warten, weil Sie hoffen, dass er den Köder schluckt? Und wenn er es nicht tut?«
»Ich kenne ihn. Er würde nicht nach Russland zurückkehren, ohne seine Frau und sein Kind zu sehen, vor allem, weil es ihm beim letzten Mal nicht gelungen ist.«
»Ich verlasse mich auf Ihr Wort! Nun zu etwas anderem. Nachdem Sie den Kreml verlassen haben, haben Genosse Lenin und ich eine wichtige Sache beschlossen – die Exekution der Romanows. Die ganze Familie wird sterben.«
»Wann?«
»Noch in dieser Woche in Jekaterinburg. Die Leichen werden
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