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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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bewegte Sorg den Zeh und hörte in der Ferne eine leise Glocke.
    Die Tür wurde geöffnet, und ein Mann in einem dunklen Anzug mit dunklem Schnurrbart und traurigen Augen trat ein. Er hielt eine kleine Glasflasche in der Hand. »Sie sind also in das Reich der Lebenden zurückgekehrt! Eine Weile dachte ich schon, ich müsste noch einen Sarg zimmern.«
    »Wo bin ich?«, fragte Sorg erschöpft. »Wer sind Sie?«
    »Karl Markow, Leichenbestatter. Sie liegen in meiner Leichenhalle.« Er kniete sich hin, stellte die Flasche ab und knotete die Schnur von Sorgs großer Zehe.
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Eine interessante Konstruktion, die benutzt wurde, als die Medizin noch keine exakte Wissenschaft war und Ärzte den Tod mitunter falsch diagnostizierten. Sollte die Leiche sich bewegen, läutet eine Glocke auf dem Gang.«
    Sorg schüttelte den Kopf, um seine Benommenheit zu vertreiben. »Man lernt jeden Tag etwas dazu.«
    »In Ihrem Fall habe ich sie benutzt, weil ich zu viel Arbeit hatte, um bei Ihnen Wache zu halten. Wie fühlen Sie sich?«
    »Als wäre ich mit einem Gewehrkolben verprügelt worden.«
    Markow lächelte. »Ich habe Sie gemeinsam mit meinem Sohn Oleg in unserem Leichenwagen im Kloster abgeholt. Um kein Risiko einzugehen, haben wir ein paar Leichen aus dem Keller mitgenommen. Eine der Nonnen fand Sie in einer Nische versteckt. Schwester Agnes hat nicht geglaubt, dass Sie überleben würden. Sie waren in einem kritischen Zustand. Ihre Wunde hatte sich geöffnet. Erinnern Sie sich?«
    »Ich erinnere mich, dass ein Tscheka-Schwein auf mich geschossen hat.«
    »Ja, Schwester Agnes erwähnte es. Zum Glück schoss er daneben. Hier, riechen Sie mal daran. Dann bekommen Sie einen klaren Kopf.«
    Der Leichenbestatter zog den Korken aus der Flasche, die er vom Boden gehoben hatte, und hielt sie Sorg unter die Nase. Der intensive Geruch des Riechsalzes raubte Sorg fast die Sinne, doch er vertrieb auch schlagartig seine Benommenheit.
    Markow drückte den Korken wieder in die Flasche. »Können Sie stehen?«
    Sorg bekam feuchte Augen, als er die Beine zur Seite schwang und aufzustehen versuchte. Ihm wurde augenblicklich schwindelig.
    »Sie sehen schwach aus«, sagte Markow.
    »Es wird schon gehen.« Sorgs Schwindelgefühl legte sich wieder, doch dann spürte er einen starken Schmerz in der Seite. Jemand hatte ihm einen frischen Verband angelegt, und diesmal sah das Material neu aus. Er fühlte sich so ausgeruht wie seit Tagen nicht mehr.
    »Schwester Agnes war hier und hat Ihre Wunde versorgt«, erklärte Markow ihm. »Vorerst müssen Sie hierbleiben. Es ist zu gefährlich, wenn Sie sich im Kloster aufhalten, denn es könnte sein, dass die Roten zurückkehren.«
    Sorg starrte den Leichenbestatter an. »Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann?«
    Markow streckte die linke Hand aus. Am Ringfinger trug er einen Silberring mit der Gravur des alten tibetanischen Symbols.

    »Beantwortet das Ihre Frage? Ich bin hier, um Ihnen auf jede erdenkliche Weise zu helfen.«
    Als Sorg sich über die Wange rieb, wunderte er sich über die langen Bartstoppeln. »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Fast drei Tage. Die meiste Zeit haben Sie geschlafen. Zum Glück heilt die Wunde gut.«
    Markow bot ihm eine Zigarette aus einem silbernen Etui an.
    Sorg nahm das Angebot an. »Was habe ich verpasst?«
    Markow klopfte auf das Ende seiner Zigarette, zündete sie an und atmete den Rauch aus. Dann gab er Sorg Feuer. »Truppen der Weißen und ihre Verbündeten, das Tschechoslowakische Korps, sind weniger als vierzig Kilometer von der Stadt entfernt. Es wird keine Woche mehr dauern, bis wir befreit werden. Vielleicht auch weniger, wenn man den Gerüchten glauben kann. Zeit ist also kostbar. Wir sind sicher, dass die Roten sich nicht die Mühe machen werden, die Familie noch einmal an einen anderen Ort zu bringen. Das Risiko wäre zu groß. Sie haben vor, sie hier in Jekaterinburg hinzurichten und die Leichen zu beseitigen, bevor die Stadt erobert wird.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Bruderschaft hat ihre Quellen, sogar in den Reihen der Roten. Aus Moskau sind weitere Polizisten der Tscheka eingetroffen. Jurowski, der neue Kommandant, ist wiederholt in den Wald außerhalb der Stadt gefahren. Vor allem in ein Gebiet mit alten, stillgelegten Minenschächten, das ›Die Vier Brüder‹ genannt wird. Wir nehmen an, dass er einen geeigneten Ort sucht, um die Leichen zu vergraben.«
    Sorg zuckte zusammen, als plötzlich eine schrille Sirene

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