Operation Romanow
halbhohe Gatter.
Einer von ihnen stocherte lachend in der glühenden Kohle eines Samowars, der in einer Ecke auf einer Blechtonne stand. Daneben sah Andrew einen Schlafplatz, der aus einer dünnen Schicht Stroh und ein paar einfachen grauen Decken bestand. »Ich an deiner Stelle würde schon mal meine Gebete sprechen. Hier kannst du nicht abhauen, wenn Mersk nachher kommt und dir die Fresse poliert!«
Der zweite Soldat zog einen dreibeinigen Holzhocker heran und setzte sich hin. Er richtete sein Gewehr auf das halbhohe Gatter. Dann zog er eine Wodkaflasche aus der Tasche, trank einen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Du warst Offizier, habe ich gehört?«
Andrew nickte. »Kann ich auch einen Schluck haben, Genosse? Das betäubt die Schmerzen, die mich erwarten.«
Der Mann stellte die Flasche auf den Boden und ging zu einem Zinkeimer. Er füllte eine Holzkelle mit Wasser und bespritzte Andrew damit.
»Das ist alles, was du hier zu trinken bekommst, du zaristischer Dreckskerl!«, stieß er verächtlich aus und warf die Kelle wieder in den Eimer.
Andrew wischte sich das Wasser aus dem Gesicht.
Eine Sekunde später hörte er den Schrei einer Frau.
Unbändige Wut stieg in ihm auf.
Der Soldat setzte sich wieder hin, legte das Gewehr quer über seine Oberschenkel und umfasste es mit beiden Händen. »Ich kenne Mersk. Der lässt sich Zeit. Es wird also eine Weile dauern, bis wir unseren Anteil bekommen. Er mag Frauen. Und je stärker sie sich wehren, desto mehr mag er sie.«
Mit aschfahler Miene und gefesselten Händen rüttelte Andrew hilflos an dem Gatter.
Der Soldat grinste. »Vergiss deine Freundin. Sorg dich um deine eigene Haut. Sobald Mersk mit ihr fertig ist und mit dir beginnt, wirst du dir wünschen, dass er dich erschießt.«
Lydia stieg ein paar Sprossen der Leiter hinauf, ehe Mersk sie einholte. Diesmal zog er sie am Knöchel von der Leiter, und sie landete unsanft im Heu.
Für einen so kräftigen Mann bewegte Mersk sich erstaunlich schnell. Nur Sekunden später lag er auf ihr. Lydia wehrte sich mit Händen und Füßen, doch der Ukrainer war stärker. Er kniete sich hin, presste ihre Arme auf den Boden und küsste sie. Lydia begann zu schreien.
Mersk lachte wie ein Verrückter. Plötzlich hob Lydia den Kopf und biss ihm so fest in die Wange, dass Mersk zu bluten begann.
Der Ukrainer brüllte vor Schmerzen. Das Blut rann ihm übers Gesicht, und jetzt schien er gänzlich die Kontrolle zu verlieren. Er schlug mit den Fäusten auf Lydias Kopf, bis sie die Besinnung verlor.
Rasend vor Wut riss er wie ein Irrer an ihren Kleidern.
Andrew hörte Lydia wieder schreien, und dann begann Mersk zu brüllen. Es folgte eine unheimliche Stille. Andrew war leichenblass und erstarrt.
»In meinem rechten Stiefel sind dreihundert Rubel. Sie gehören euch, wenn ich den Wodka bekomme«, sagte Andrew.
Die beiden Soldaten wechselten einen Blick. Obwohl ihre Gier geweckt war, blieben sie wachsam.
Der Mann, der neben dem Samowar stand, goss kochendes Wasser in eine kleine Teekanne. Er füllte Tee hinein und rührte ihn mit einem Löffel um. »Ist das wahr? Oder hältst du uns für blöd?«
»Es ist die Wahrheit! Wenn Mersk mich gleich totschlägt, wäre es besser, wenn ich betrunken bin.«
Der Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und stellte den Tee ab, bevor er sein Gewehr in die Hand nahm. »Hol ihn da raus, damit ich ihn sehen kann«, sagte er zu seinem Kumpanen. »Wenn er versucht abzuhauen, erschieß ihn.«
Der andere Soldat öffnete das Gatter und richtete das Gewehr auf Andrew.
»Komm raus und zieh den rechten Stiefel aus.«
Andrew trat aus der Box, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Gatter und zog den Lederstiefel aus.
»Wirf den Stiefel hierher.«
Er warf dem Mann den Stiefel zu. Der erste Soldat steckte eine Hand in den Stiefel und fand ein Bündel Geldscheine. »Verdammt, er hat die Wahrheit gesagt …« Seine Augen strahlten. Die Gier war größer als seine Wachsamkeit.
Andrew verpasste ihm einen Faustschlag auf die Kehle, worauf er keuchend zu Boden ging. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und die Augen traten hervor, als er durch die eingedrückte Luftröhre nach Atem rang.
Der zweite Soldat hob sein Gewehr, doch Andrew lief schon auf ihn zu. Der Soldat zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, als er in Panik geriet und sich nicht entscheiden konnte, ob er schießen oder das Bajonett benutzen sollte.
Er stieß mit dem Bajonett zu.
Geschickt wich Andrew aus,
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