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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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meinst, du hältst durch …«
    »Es wird schon gehen. Du hältst nicht mehr lange durch, Juri.«
    Andrew zog Stiefel und Hose aus und ließ sich auf das Feldbett fallen. Dann legte er den Kopf aufs Kissen und versuchte, sich zu entspannen. »Weck mich, wenn du mich brauchst.«
    »Kein Wort mehr.« Lydia setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und legte einen Finger auf seine Lippen. »Schlaf jetzt, Juri.«
    Er drehte sich zur Wand um und schob eine Hand unter den Kopf. Lydia strich ihm über den Rücken, massierte seine Schultern und spürte die Verspannungen in den harten Muskeln. »Wenn ich als kleines Kind in der Dunkelheit Angst hatte, kam meine Mutter in mein Zimmer und rieb mir den Rücken. Sie sagte immer, wir brauchen die Berührung eines anderen Menschen, um uns zu entspannen. Woran denkst du?«
    »Dass ich mir genau in dieser Minute wünsche, ich könnte die Augen schließen und alles wäre vorbei, und ich könnte eine Woche schlafen.«
    »Das Gefühl kenne ich«, sagte Lydia. »Man möchte die Welt ausblenden und warten, bis die Dunkelheit vorübergeht. Aber wenn man die Augen wieder öffnet, sieht man, dass sich nichts verändert hat. Es ändert sich nie etwas.«
    Lydia bemerkte, dass Andrews Finger sich unablässig bewegten. Offenbar fand er keine Ruhe. »Woran denkst du noch?«
    »An Nina und Sergej und an unsere letzte Begegnung. Nina holte die Wäsche von der Leine, und Sergej klammerte sich an ihren Rock. Es brach mir das Herz, dass ich nichts tun konnte, um meinen Sohn zu trösten. Ich fühlte mich so hilflos.«
    Als Lydia aufhörte, Andrews Rücken zu massieren, drehte er sich zu ihr um. Seine Augen spiegelten Kummer und Leid wider. Doch sie erkannte noch etwas anderes, eine Art Sehnsucht, die sie nur allzu gut verstand.
    Es war keine sexuelle Begierde, sondern etwas viel Dringlicheres, das übermächtige Bedürfnis, sich mit einem anderen Menschen zu vereinen. Und es bedurfte keiner Worte, denn Lydia wusste, dass er ebenso verletzbar war wie sie.
    Sie zog ihn zu sich heran, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn, zuerst verhalten und dann immer leidenschaftlicher, während er sich verzweifelt an sie klammerte.

100. KAPITEL
    Kurz vor Jekaterinburg
    Als Andrew aufwachte, zuckte er zusammen und stieß einen Schrei aus.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Lydia, die mit dem Kopf auf seiner Schulter gelegen hatte.
    »Ich habe nur schlecht geträumt. Das ist alles.«
    Andrew rieb sich die Augen und sah auf die Taschenuhr in seiner Jacke neben dem Bett. Es waren fast vier Stunden vergangen. Er war furchtbar erschöpft gewesen. Die Sonne schien, und ein paar Strahlen drangen zwischen den Fensterläden hindurch.
    »Habe ich mich jetzt zum Narren gemacht?«, fragte Lydia verschlafen.
    »Wenn du es getan hast, dann sind wir schon zu zweit.« Er strich ihr zärtlich übers Gesicht. »Wie fühlst du dich?«
    Lydia richtete sich auf und errötete. »Ich weiß nicht. Was zwischen uns geschehen ist, hat mich zum Nachdenken gebracht.«
    »Worüber?«
    »Ich frage mich, wie es gewesen wäre, wenn wir uns früher getroffen hätten.«
    Andrew sah ihr in die Augen. »Früher als jetzt? Ich glaube, man wird nur verrückt, wenn man darüber nachdenkt.«
    Lydia wechselte das Thema. »Meinst du, Jakow hat hier irgendwo Tee für diesen Samowar?«
    »Ich schau mal nach.« Andrew stieg aus dem Bett und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Doch er wusste im ersten Augenblick nicht, was es war.
    »Was ist los?«, fragte Lydia beunruhigt.
    Plötzlich wurde Andrew bewusst, dass der Zug fast unmerklich das Tempo drosselte.
    »Die Lokomotive fährt langsamer. Zieh dich schnell an! Das sieht nach Ärger aus!«
    Sie zogen sich beide hastig an, und dann griff Andrew nach seinem Revolver und ging auf die Tür zu, die zur Lokomotive führte.
    »Warte!«, rief Lydia. »Ich komme mit.«
    Andrew kletterte über den Kohlenwagen. Lydia folgte ihm.
    Ringsherum lagen undurchdringliche Wälder, die sich bis an den Horizont erstreckten. Der Ural, der an einigen Stellen mit Schnee bedeckt war, überragte sie majestätisch. Andrew glaubte, hinter den Bäumen ein paar verstreut liegende Holzhäuser zu erkennen, die Umrisse eines kleinen Dorfes.
    Als sie die Lokomotive erreichten, stellten sie fest, dass der Lokführer und sein Sohn verschwunden waren.
    Andrew schlug frustriert mit der Hand gegen die Kesselwand. »Das hat uns gerade noch gefehlt! Die Dummköpfe müssen die Geschwindigkeit gedrosselt haben und vom Zug gesprungen

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