Operation Romanow
schnell.«
»Entweder läuft alles wie geschmiert, oder wir enden allesamt mit einem Zettelchen an der großen Zehe in Markows Halle. Was sollen wir denn machen? Haben Sie eine bessere Idee zu diesem Zeitpunkt?«
»Nein.«
»Dann halten wir an meinem Plan fest.« Boyle zog seine Colt-Pistole aus dem Holster und warf ein Notizheft und einen Füllfederhalter auf den Tisch. »Sagen Sie Jakow, er soll schreiben, was ich ihm diktiere, und zwar schnell.«
114. KAPITEL
Ipatjew-Haus, Jekaterinburg
Jurowski saß in der Wachstube. Er war sichtlich nervös und überprüfte noch einmal seine beiden Waffen, einen Colt und eine Mauser. Der unwiderrufliche Augenblick nahte. Seine Männer hockten zusammen, rauchten eine Zigarette nach der anderen und umklammerten ihre Waffen. Einige Wachleute trugen Bajonette am Gürtel. Das Adrenalin strömte durch ihre Adern. Jurowski sah, dass sie alle furchtbar nervös und gereizt waren.
Einer von ihnen, ein betrunkener Kerl namens Ermakow mit drei Revolvern am Gürtel, schien es gar nicht abwarten zu können und spuckte große Töne. Er hielt zwei beinahe leere Wodkaflaschen in der Hand und goss großzügig in die Emailletassen der Männer ein. »Runter damit, ihr werdet es brauchen, Genossen. Und achtet darauf, dass ihr genau zielt.« Ermakow grinste schief. »Schickt sie alle zur Hölle, jeden Einzelnen von ihnen. Frauen und Kinder werden nicht verschont!«
Jurowski trank einen Schluck Wodka aus seiner eigenen Flasche und wischte sich über den Mund. Er erlaubte seinen Männern zu trinken, weil er wusste, was für eine grässliche Aufgabe vor ihnen lag. Er war selbst schon leicht benebelt. Dennoch entging ihm nicht, dass die Männer allmählich die Kontrolle über sich verloren. Sie kippten ein Glas nach dem anderen herunter, um sich Mut anzutrinken. Wenn es allerdings so weiterging, würden sie bald nicht mehr in der Lage sein, ihren Auftrag zu erfüllen.
Der Kommandant nahm Ermakow die Flaschen aus der Hand. »Es reicht! Wir brauchen alle einen klaren Kopf.«
»Wann geht es los? Wann?«, knurrte Ermakow.
Jurowski sah wieder auf seine Uhr. Es war Viertel nach zwei. Er zog den Hinrichtungsbefehl aus der Tasche seines Waffenrocks, den er der Familie vorlesen würde. »Der Fahrer soll den Lastwagen starten«, sagte er zu einem der jüngeren Wachmänner. »Alle anderen sollten noch mal ihre Waffen kontrollieren.«
Andrew fuhr in dem Fiat-Lastwagen auf den Stadtteich zu und drosselte das Tempo, als sie sich dem Torbogen näherten. Sie waren noch mehr als dreihundert Meter vom Ipatjew-Haus entfernt.
Zwei Rotarmisten, die Gewehre mit aufgesteckten Bajonetten in den Händen hielten, bewachten das Eisentor. Sie traten unter dem Torbogen hervor, einer von ihnen schwenkte eine Laterne. Der andere hob die Hand und hielt den Lastwagen an. Die beiden Wachmänner waren noch jung, kaum zwanzig Jahre alt, aber aufmerksam und vorsichtig. Sie musterten die Männer mit den Lederjacken auf den Vordersitzen. Eine Frau, die hinter ihnen saß, trug eine Uniform der Rotarmisten und hielt eine Laterne in der Hand.
»Wir haben den Befehl, niemanden passieren zu lassen«, sagte einer der Männer.
Andrew ließ den Motor laufen und stieg aus. Boyle blieb neben Jakow sitzen und drückte ihm seine Colt-Pistole in die Seite.
»Ich bin Kommissar Kuris. Das ist Kommissar Jakow aus Moskau.«
Der Wachmann nickte. Er hatte Jakow schon im Ipatjew-Haus gesehen und tippte sich zur Begrüßung an die Mütze. »Genosse Kommissar«, sagte er respektvoll.
»Dieses Gebiet steht unter der Kontrolle der Tscheka«, erklärte Andrew in herrischem Ton. »Wir übernehmen. Sie halten Wache am Stadtteich.«
»Aber wir haben den Befehl erhalten …«
»Ab sofort gelten hier nur noch meine Befehle.«
Als die Wachen das Eisentor verließen und auf den Stadtteich zugingen, kletterte Andrew wieder in die Fahrerkabine des Fiats.
»Sie haben sich klug verhalten, Kommissar«, sagte Boyle. Er bot Jakow eine Zigarette an und reichte ihm eine Schachtel Streichhölzer.
Andrew übersetzte, was Boyle gesagt hatte.
Jakow steckte sich eine Zigarette an, blies den Rauch aus und wirkte sonderbar ruhig. »Sie laufen alle ins offene Messer. Im und rund um das Ipatjew-Haus sind mehr Wachen als Fliegen in einem Marmeladenglas an einem Sommertag.«
Boyle lächelte. »So sind die Russen, immer pessimistisch. Noch ist es nicht vorbei.« Er nickte Lydia zu. »Geben Sie das Signal!«
Lydia schwenkte die Laterne.
Wenige Augenblicke später
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