Operation Sahara
Strahlen spotteten der schwülen See, und breiteten sich wie Rauhreif im April aus; doch wo des Schiffs gewaltiger Schatten lag, brannte das verzauberte Wasser, in stillem und furchtbarem Rot«,
rezitierte Pitt.
»Eine Strophe aus ›Die Ballade vom alten Seemann‹, von Samuel Taylor Coleridge.«
Gunn warf Pitt einen respektvollen Blick zu. »Ich wußte gar nicht, daß du dich für Lyrik interessierst.«
Pitt lachte. »Nur ein paar Verse, die bei mir hängengeblieben sind.«
»Ich frage mich, was Sandecker für finstere Gedanken in seinem Innern hegt«, überlegte Giordino.
»Sieht dem alten Bussard gar nicht ähnlich, so geheimnisvoll zu tun.«
»Nein«, stimmte ihm Pitt in böser Vorahnung zu, »das sieht ihm gar nicht ähnlich.«
8
Der Pilot des Firmenhelikopters von Massarde Enterprises flog in Richtung Norden und hielt sich östlich von der Hauptstadt Bamako. Nach zwei Stunden entdeckte er das Glitzern von Sonnenstrahlen, die sich in der Ferne auf Gleisen brachen. Er ging in eine flache Kurve und folgte dem Schienenstrang, der scheinbar ins Nichts führte.
Die Eisenbahnstrecke, die erst im Monat zuvor fertiggestellt worden war, endete bei der ungeheuer weitläufigen Solar-Müllentsorgungsanlage im Herzen der Wüste von Mali. Die Anlage war auf den Namen Fort Foureau getauft worden, nach einem Fort der Französischen Fremdenlegion ein paar Kilometer entfernt, das aber schon seit langem verlassen war. Von der Anlage aus verliefen die Gleise mehr als 1600 Kilometer nahezu schnurgerade über die mauretanische Grenze bis zum Hafen Cape Tafarit am Atlantik.
General Kazim, der den Komfort des Firmenhelikopters genoß, schaute gerade aus dem Fenster, als der Pilot einen langen Zug mit versiegelten Müllcontainern überflog, der von zwei Diesellokomotiven gezogen wurde. Der Zug fuhr nach Mauretanien, nachdem er seine tödliche Fracht entladen hatte.
Kazim nickte befriedigt, wandte den Blick von den Müllwagen ab und gab dem Steward ein Zeichen.
Dieser goß ihm ein Glas Champagner ein und bot ihm ein paar Horsd’œuvre an, die auf einem Tablett arrangiert waren.
Bei den Franzosen, überlegte Kazim, mußten immer Champagner, Trüffel und Pastete in Reichweite sein. Er hielt sie für ein Volk, das nur halbherzig versucht hatte, ein Imperium aufzubauen und zu halten.
Was mußte die Allgemeinheit aufgeatmet haben, dachte er, als die Franzosen sich gezwungen sahen, ihre Außenposten in Afrika und dem Fernen Osten aufzugeben. Tief im Innern ärgerte es ihn, daß sie nicht völlig aus Mali verschwunden waren. Obwohl sie das Land im Jahre 1960 aus der Knechtschaft der Kolonialherrschaft befreit hatten, behielten französische Unternehmen ihren Einfluß und hatten die Wirtschaft im Griff.
Besonders stark vertreten waren sie im Bergbau, im Transportwesen, auf dem Fertigungs- und dem Energiesektor.
Viele französische Unternehmer betrachteten ein Engagement in Mali als günstige Investition und pumpten viel Geld ins Land.
Doch niemand hatte mehr Geld in die Sahara investiert als Yves Massarde. Früher einmal war Massarde der Wunderknabe der französischen Geschäftsstelle für Außenwirtschaft gewesen.
Dort hatte er für sich persönlich eine profitable Nische entdeckt und seine Kontakte und seinen Einfluß dazu benutzt, kränkelnde Unternehmen in Westafrika zu übernehmen und auf Gewinnkurs zu bringen. Er war ein geschickter und harter Verhandlungspartner, seine Methoden waren halsabschneiderisch, und man munkelte, daß er auch vor Erpressung nicht zurückschreckte, wenn es ihm darum ging, einen Abschluß durchzusetzen. Sein Vermögen wurde auf zwei bis drei Milliarden Dollar geschätzt.
Die Müllentsorgungsanlage in der Nähe von Fort Foureau war das Glanzstück seines Industrie-Imperiums.
Der Helikopter hatte mittlerweile den weitläufigen Komplex erreicht, und der Pilot ging in eine Kurve, um Kazim einen Überblick über die ausgedehnte Solar-Verbrennungsanlage mit ihren zahllosen Parabolspiegeln zu geben, die die Sonnenenergie bündelten und zur zentralen Weiterverarbeitung leiteten, wo Temperaturen bis zu 5000 Grad Celsius erreicht wurden. Diese enorm hohe Solarenergie diente dazu, in photochemischen Reaktoren die Moleküle giftiger Chemikalien zu zerstören.
Der General hatte dies alles mehrere Male besichtigt und war mehr daran interessiert, sich ein weiteres Stück getrüffelte Gänseleberpastete auszusuchen. Er hatte gerade sein sechstes Glas Veuve Clicquot Gold Label ausgetrunken, als der Helikopter
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