Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Bodenbretter und stemmte eins auf. Das Holz gab sofort nach. Slanski nahm das fünfzig Zentimeter lange Brett heraus und griff mit der Hand in den Hohlraum. Er holte die alte, rostige Blechdose heraus und den Aktenordner darunter, den Massey ihm gegeben hatte, damit er sich den Inhalt einprägte.
Seit seiner Kindheit, als er das erste Mal in diese Blockhütte gekommen war, diente sie ihm als Versteck. Früher hatte er niemandem getraut, nicht einmal Wasili. Er hatte seinen Privatbesitz hier versteckt, die wenigen Habseligkeiten, die er als Junge mit nach Amerika gebracht hatte.
Er öffnete die Akte über Josef Stalin und las sie noch einmal durch: akribisch recherchierte Informationen über Stalins Gewohnheiten, seinen Gesundheitszustand, seine persönlichen Sicherheitsvorkehrungen, gespickt mit verblüffenden Einzelheiten über seine Elite-Leibwächter. Dieses Wachsystem umfaßte beinah fünfzigtausend Menschen. Sie alle dienten ausschließlich Stalins Schutz und waren je nach Fähigkeiten für verschiedene Abteilungen zuständig: für Stalins Reisen, sein Essen, seinen körperlichen Schutz und seine Unterhaltung.
Jeder Bissen, den er zu sich nahm, wurde auf speziellen Bauernhöfen produziert, die unter scharfer Kontrolle ausgesuchter Spezialisten standen. Sie überwachten das Wachstum des Getreides ebenso wie das Schlachten der Tiere und transportiertendie Nahrungsmittel auf gesicherten Wegen in spezielle Lagerhäuser. Anschließend wurde die Nahrung im Labor untersucht, an Versuchstiere verfüttert und von Stalins persönlichen Angestellten vorgekostet, bevor sie endlich in Stalins Magen landete.
Der Ordner enthielt außerdem zwei ausführliche Grundrisse; einmal den vom Kreml und von Stalins persönlichen Quartieren sowie einen Plan seiner Villa in Kunzewo mit Informationen über das Sicherheitssystem.
Bis zum Absprung würde Slanski sich den Bericht Wort für Wort eingeprägt haben. Als er mit dem Studium der Akte fertig war, legte er sie wieder ins Bodenloch und holte die verrostete Blechdose heraus.
Er nahm den Deckel ab und streute den Inhalt aufs Bett: zwei Haarlocken, die mit rotem Bindfaden umwickelt waren, und ein kleines Fotoalbum, dessen schwarzer Lackeinband rissig und abgenutzt war.
Slanski erinnerte sich, wie er diese Dinge noch Monate nach seiner Flucht an sich gedrückt hatte. Vor allem bei der langen, eiskalten Überfahrt über den tobenden Atlantik, als er versteckt im stinkenden Frachtraum des Schiffes gelegen und der Hunger in seinen Eingeweiden genagt hatte. Doch der Hunger war nicht so quälend wie die Leere in seinem Herzen. Der Inhalt dieser kleinen Dose war das einzige, was ihm von seiner Familie geblieben war, und bot einem kleinen, verlorenen Jungen den einzigen Halt in der großen, weiten, verwirrenden Welt.
Slanski betrachtete die Haarlocken. Er hatte sie beide geliebt, Petja und Katja, und hatte sie immer beschützen wollen. Er erinnerte sich noch schwach an eine Nacht, in der ein Sturm getobt hatte. Der kleine Petja hatte so schreckliche Angst gehabt, daß Slanski ihn in seinem dunklen Schlafzimmer weinen hörte. Petja fürchtete sich vor dem Lärm und den Blitzen, vor den schrecklichen und furchtbaren Geräuschen.
»Hast du Angst?«
Es blitzte, und der Donner grollte. Petja weinte herzzerreißend.
»Hab keine Angst. Komm, komm zu mir ins Bett.«
Petja hatte sich neben ihn gekuschelt, mit seiner dunklenWuschelmähne und seinem Babyspeck, und hatte leise geschluchzt, als Slanski ihn umarmte und an sich drückte.
«Nicht weinen, Petja. Ich werde immer auf dich aufpassen. Wenn jemand versucht, dir weh zu tun, bringe ich ihn um. Verstehst du, Petja? Und wenn Mama ihr Baby bekommen hat, passe ich auch darauf auf.«
Er hatte Petja die ganze Nacht festgehalten.
Aber er hatte nicht immer auf den Jungen aufpassen können. Genausowenig wie auf Katja.
Slanski legte die Haarbüschel beiseite, das dunkle und das verblaßte blonde, die letzten Erinnerungen an Katja und Petja. Dann schlug er das alte Album auf und vertiefte sich in den Anblick der Fotos.
Die beiden Männer parkten den Wagen fünf Meilen entfernt auf einem Waldweg und zogen durch den verschneiten Wald bis zur Lichtung. Sie befand sich auf einem Kamm über dem See, von Kiefern geschützt. Es war der beste Ort, den sie am Tag zuvor entdeckt hatten. Von dort hatte man einen einigermaßen guten Blick auf die Blockhütte.
Sie brauchten zwanzig Minuten, bis sie die Ausrüstung aufgebaut hatten. Das weiße Tarnzelt und
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