Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
und Anna, die nebeneinander auf der hölzernen Promenade entlang gingen. Die Kragen ihrer Mäntel hatten sie gegen die eisige Kälte hochgestellt. Saarinen stellte sich neben Slanski und bot ihm eine Zigarette an.
»Schneewolken«, erklärte der Finne nach einem kurzen Blick aus dem Fenster. »Jedenfalls dem Aussehen nach zu urteilen. Sie sind noch weit weg, aber es sieht aus, als kämen wir ins Geschäft. Schön, daß die Wetterfrösche manchmal auch richtig liegen.«
Sie zündeten ihre Zigaretten an, und Saarinen deutete mit einem Nicken hinaus auf die Promenade. »Ihre Freundin sieht wirklich klasse aus. Ihretwegen würde ich es fast selbst riskieren, rüberzugehen.«
Slanski überprüfte die Fallschirme. »Sie ist eine gute Frau. Es ist schade, daß sie bei dieser Aktion mitmacht. Es ist kein Kinderspiel, rüberzugehen, sondern verdammt gefährlich.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Wo wir gerade davon reden: Sie haben gestern bei der Einweisung eine nette Show abgezogen.«
Der Finne stieß den Rauch aus und grinste. »Sie haben mir die Tollkühnheit nicht abgenommen, was? Hab’ ich auch nicht erwartet.«
»Sie haben einige wichtige Punkte ausgelassen. Zum Beispiel die Tatsache, daß mehr als die Hälfte aller Agenten, die mit dem Fallschirm auf russischen Boden abspringen, innerhalb von achtundvierzig Stunden nach der Landung erwischt werden. Sei es, weil sie sich beim Sprung verletzt oder weil das russische Radar ihren Flug entdeckt hat. Und Sie haben auch nicht erwähnt, daß die Hälfte der Flieger, die es im Krieg erwischt hat, wegen Motorschaden oder schlechtem Wetter gestorben sind, nicht durch Feindeinwirkung.«
Saarinen setzte sich. »Ich bin diese Route schon ein halbes Dutzend Mal geflogen, und es wurde von Mal zu Mal schwieriger. Die Russen haben ihre Luftverteidigung immer weiter verstärkt, und die neuen Mig-Kampfflugzeuge machen Leuten wie mir zusätzlich das Leben schwer. Ich habe nur wegen der Frau die Gefahren untertrieben. Jake hat mir gesagt, daß Sie Profi sind und die Risiken kennen. Für die Frau aber ist es das erste Mal. Es wäre sinnlos, ihr eine solche Angst einzujagen. Und was unsere Chancen angeht: Die Wolkendecke ist unsere einzige wirkliche Hoffnung, trotz der Gefahr, daß das Wetter scheußlich wird. Unser kleines Flugzeug da draußen im Hangar steht das durch, glauben sie mir. Wenn die Wolkenbildung sich weiterhin zu unseren Gunsten entwickelt, möchte ich fast garantieren, daß Sie den Absprung schaffen. Wenn nicht …« Saarinen grinste und zuckte mit den Schultern. »Dann werden wir vom Himmel gepustet.«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, daß Sie das Leben und den Tod vollkommen verachten?«
Saarinen lachte. »Immer wieder. Das liegt daran, daß ich dem Sensenmann schon oft ins Auge gesehen habe und feststellen mußte, daß man viel zuviel Aufhebens darum macht. Ich habe vor neununddreißig Anglistik an der Universität in Helsinki studiert. Dann kam der Krieg, und als ich zum ersten Mal in ein Gefecht geflogen bin, hat mich der Hafer gestochen. Seitdem konnte ich gar nicht mehr genug an Risiko und Aufregung bekommen. Aber als die Ballerei sich gelegt hatte und alles vorbei war, wurde einem klar, daßman sowieso nur von geborgter Zeit gelebt hat. Also hat man weiter auf der Überholspur gelebt, einfach so, nur aus Spaß. Wenn ich mich nicht irre, gilt das auch für Sie. Was sagte Kant doch gleich: ›Dieser stählerne, unverkennbare Ausdruck in den Augen eines Mannes, der das Lied des Krieges singt und vom zu oft gesehenen Tod, diesem grimmigen Schnitter.‹«
Slanski lächelte. »Was ist nun mit dem Radar der Russen?«
»Wie gesagt, sollte das Wetter auf unserer Seite sein, müssen wir uns darum keine Sorgen machen.« Saarinen schüttelte den Kopf. »Es sieht nicht schwarz aus, eher ein bißchen grau. Aber ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß ich ein Glückspilz bin. Ich spreche fließend Russisch. Selbst wenn uns die Luftüberwachung erwischt, kann ich versuchen, sie zu bluffen.«
»Sie sind ein vielseitiger Mann.«
Saarinen lächelte und tippte gegen sein Holzbein. »Leider sind nicht alle Seiten gut.«
Helsinki
Die Reifen des B-47-Stratojet der US-Luftwaffe setzten kreischend auf der eisigen Rollbahn des Malmi-Flughafens in Helsinki auf. Es hagelte, und die Uhr zeigte genau sechs Uhr in der Früh. Karl Branigan war nach dem langen und turbulenten Flug aus Washington ermüdet. Die viertausend Meilen lange Reise hatte fast zehn Stunden gedauert – eine
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