Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
beunruhigt.
Branigan ignorierte die Frage. »Ich muß ein dringendes Telefongespräch führen. Gibt es hier eine abhörsichere Telefonleitung, die ich benutzen kann?«
Canning lächelte. »Klar. Aber ich würde Ihnen davon abraten, den Botschafter so spät noch anzurufen. Der alte Knabe regt sich mächtig auf, wenn man ihn mitten in der Nacht zu Hause stört.«
Branigan bedachte den Mann mit einem Blick eisiger Verachtung. »Sie armer Irrer. Ich will nicht mit diesem schwachsinnigen Botschafter sprechen, sondern mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.«
35. KAPITEL
Tallinn
27. Februar
Sinow saß allein an seinem Tisch, als Anna und Slanski kurz vor sieben das Eßzimmer betraten. Seinen blutunterlaufenen Augen, den unrasierten Wangen und der gefurchten Stirn nach zu urteilen, mußte er einen gewaltigen Kater haben.
Er winkte ihnen schweigend zu und widmete sich dann wieder seinem Frühstück. Als Gorew hereinkam und ihnen Kaffee einschenkte, bemerkte Slanski, daß dem Schankwirt die Hände zitterten.
»Was ist los?« fragte er leise.
Gorew beugte sich vor, als er den Kaffee einschenkte und flüsterte: »Ich bin um sechs zum Markt gegangen. In der Stadt wimmelt es von Miliz und KGB. Sie haben überall Kontrollpunkte eingerichtet. Ich will ja nicht unken, aber sobald ihr verschwunden seid, werde ich mich sofort bei meinen Freunden im Wald verstecken und solange dableiben, bis ich glaube, daß es wieder sicher ist. Was möglicherweise nie der Fall sein wird.«
Am anderen Ende des Raums stand Sinow plötzlich auf, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und kam zu ihnen herüber. Er lächelte Gorew verkrampft an. »Ihr Krimsekt kann einen umbringen. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte jemand die ganze Nacht mit einem Gummiknüppel darauf herumgehämmert.«
»Jedes Laster hat seinen Preis, Oberst.«
»Allerdings«, erwiderte Sinow gelassen. Er schaute Anna an und lächelte erneut gequält. »Darf ich mir erlauben zusagen, daß Sie heute morgen bezaubernd aussehen, meine Teure.«
Anna hatte sich grell geschminkt, was alles andere als gut aussah, und sie vermutete, daß Sinow einfach nur höflich war. »Danke, Oberst. Mein Ehemann hat mir gesagt, daß Sie uns bis Leningrad mitnehmen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«
»Unsinn. Wir müssen uns doch um unsere Helden in Uniform kümmern. Es tut mir nur leid, daß die Pflicht Ihre Flitterwochen ruiniert hat.« Sinow blickte auf die Uhr. »Ich fahre in zehn Minuten, also sollten Sie nicht trödeln. Man erwartet mich um eins in Leningrad zu einem Stabsessen.«
Er wollte gehen, überlegte es sich dann aber anders und wandte sich an Slanski. »Wir fahren übrigens über den Ostturm. Das ist der kürzeste Weg zur Küstenstraße. Und damit Sie informiert sind: Ich habe gestern abend erfahren, daß die Behörden nach einem feindlichen Agentenpärchen suchen, das vor kurzem mit dem Fallschirm abgesprungen ist. Also wird es wahrscheinlich Verzögerungen an den Kontrollpunkten geben, aber ich hoffe, daß sie uns nicht behelligen.«
Slanski spielte den Überraschten. »Wirklich? Feindliche Agenten? Aus welchem Land?«
»Wissen Sie, danach habe ich nicht gefragt. Ein Mann und eine Frau. Mehr weiß ich auch nicht.«
Lukin wachte um sechs auf. Er hatte schlecht geschlafen und fühlte sich immer noch erschöpft. Er rasierte sich und kleidete sich an, bevor er am Tisch den Bericht las, den Kaman ihm gebracht hatte.
Kaman hatte auch ein Tablett mit einer Tasse Tee und frische Brötchen mitgebracht, dazu Pflaumenmus, das muffig roch. Lukin hatte den Hauptmann weggeschickt und ihm gesagt, er würde ihn rufen, sobald er ihn brauche.
Jetzt hatte er die Berichte vor sich ausgebreitet und blätterte die Seiten durch. Die Buchstaben schienen auf dem Papier zu tanzen, und ihm schmerzten die Augen von zu wenig Schlaf.
Viel Interessantes gab es nicht zu lesen. Jedes Hotel und jede Schenke in der Stadt waren durchsucht und alle Gästekontrolliert worden. Man hatte ihre Papiere untersucht und deren Echtheit im KGB-Hauptquartier in der Pikkstraße überprüft.
Die Zahl der verhafteten Deserteure war auf einundzwanzig gestiegen.
Es gab einen Witz in der Armee. Wollte man desertieren, sollte man ins Baltikum fliehen. Dort waren die Frauen schön und der Alkohol kräftig, und wenigstens konnte man sich noch ein bißchen amüsieren, bevor man wegen Desertion in ein Straflager nach Sibirien verfrachtet wurde.
Lukin warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. Der Winter war in
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