Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
militärisch kurzen Haarschnitts und des japanischen Dolches hatte Branigan niemals eine Frontlinie gesehen, sondern fast sein ganzes Arbeitsleben als Schreibtischtäter im Geheimdienst verbracht. Doch das Souvenir lieferte einen Hinweis auf seinen Charakter. Er war ein harter Mann, der schnell und entschlossen Entscheidungen fällte und seinem Dienst fast blind ergeben war. Bei einem CIA-Offizier wurden solche Eigenschaften von den Vorgesetzten natürlich gern gesehen.
Gegen vierzehn Uhr an diesem kalten Nachmittag im Januar rief seine Sekretärin ihn an und teilte mit, daß Jake Massey soeben eingetroffen sei.
Branigan wies die Sekretärin an, einen Wagen zu besorgen, der ihn und Massey zum Leichenschauhaus bringen sollte. Außerdem sollte sie Massey noch eine Viertelstunde hinhalten.
Er unterbrach kurz die Leitung und wählte die Privatnummer des Stellvertretenden Direktors der CIA.
Ein kleiner Aufzug brachte sie in die Leichenhalle. Der Lift bot gerade ausreichend Platz für die drei Personen: Massey, Branigan und den Angestellten des Leichenschauhauses. Schließlich hielt der Aufzug, und der Angestellte öffnete die Tür. Sie traten in einen kühlen, weißgekachelten Raum, an dessen gegenüberliegender Wand vier Metalltische standen. Auf zweien lagen Gestalten unter weißen Laken. Der Angestellte trat an den ersten Tisch und schlug das Laken zurück.
Masseys Gesicht verzerrte sich vor Schock und lodernder Wut, als er die Leiche unter dem Tuch betrachtete.
Das Gesicht des Mannes war gefroren, so weiß wie Marmor und vom Tod entstellt. Trotzdem erkannte Massey sofort die Gesichtszüge. In Max Simons Stirn befand sich ein Loch, dessen Ränder rot geschwollen waren. Massey bemerkte die Schmauchspuren an der Schädelwunde des Toten und sah auch die Tätowierung: eine weiße Taube unmittelbar über dem Handgelenk. Er schnitt eine Grimasse und nickte. Der Angestellte zog das Laken wieder über die Leiche und ging dann zum zweiten Tisch.
Als er das Tuch entfernte, hätte Massey sich fast übergeben.
Vor ihm lag ein Mädchen mit wächsernem Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen. Sie hatte dasselbe präzise Loch in der Stirn wie der Mann. Nina lag auf dem Metalltisch, als würde sie schlafen. Ihr langes dunkles Haar war gekämmt, und für einen Moment dachte Massey, sie würde aufwachen, wenn er sie berührte. Dann erst bemerkte er die dunklen Prellungen an Armen und Hals und sah voller Ekel die Stellen, wo Nagetiere die Tote angefressen hatten.
Branigan schaute Massey an und schüttelte grimmig den Kopf. »Kein angenehmer Anblick, Jake, was?«
»Das ist der Tod nie«, gab Massey gereizt zurück.
Der Wärter schlug das Laken wieder über den Leichnam des Mädchens. Die beiden Männer drehten sich um und verließen den Raum.
Jake Massey und Karl Branigan kannten sich seit fast zwölf Jahren, und ihre Beziehung hatte sich in dieser Zeit nicht wesentlich verbessert.
Zwischen ihnen herrschte oft eine elektrisierende Spannung, die von manchen Leuten als Ergebnis ihrer beruflichen Konkurrenz interpretiert wurde. Beide waren fähige, abgebrühte Männer; es war gefährlich, ihnen in die Quere zu kommen. Heute jedoch wirkte Branigan zivilisiert und herzlich.
Es war kurz nach zwei, als er und Massey in die Büros am Potomac zurückkehrten.
Als Massey sich auf den Stuhl vor Branigans Schreibtisch setzte, schaute er aus dem Fenster auf die Brauerei. Der Ausblick vom CIA-Hauptquartier bot nur wenig Abwechslung von der Arbeit. Heute nachmittag war es nicht anders: Aus dünnen Fabrikschornsteinen quollen weiße Rauchwolken und stiegen träge in den nahezu windstillen Winterhimmel.
»Erzählen Sie mir, wie es passiert ist.«
Branigan zögerte. »Sie und Max Simon waren wohl lange befreundet?«
»Seit dreißig Jahren. Ich war Ninas Patenonkel. Max war einer der besten Leute, die wir hatten.« Masseys Gesicht rötete sich vor Ärger. »Verdammt, Branigan, warum hat man sie umgebracht? Wer war es?«
»Darauf kommen wir später.« Branigan nahm eine Zigarette aus der Dose auf dem Tisch, steckte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie an. Massey bot er keine an.
»Sie haben bestimmt erkannt, daß Max und Nina hingerichtet worden sind. Exekutiert. Ihnen wurde aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Ich nehme an, das Mädchen wurde getötet, weil sie gesehen hat, wer ihren Vater umbrachte, oder man wollte uns damit eine Warnung zukommen lassen.«
»Man?«
»Moskau, natürlich.«
»Was meinen Sie mit
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