Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
letzte Bericht, den wir von Max Simon einen Monat vor seinem gewaltsamen Tod erhalten haben. Sie kennen den Inhalt, aber ich wiederhole ihn noch einmal, um alle Punkte restlos zu klären. Erstens: Stalin hat in den letzten sechs Monaten zwei Schlaganfälle erlitten, wodurch seine Sprachfähigkeit und seine Motorik gelitten haben.
Zweitens: Alle seine Ärzte stimmen darin überein, daß er aufgrund dieser Schlaganfälle oder aus einem anderen medizinischen Grund geistig labil wird. Er zeigt Merkmale paranoider Schizophrenie. Einfach ausgedrückt: Der Mann dreht durch.«
Branigan lächelte. »Natürlich wußten wir längst, daß der Kerl ein Knallkopf ist. Das weiß alle Welt. Aber dieser Bericht bestätigt es und setzt es in die richtige Perspektive. Und Sie sollten noch etwas wissen: Die Ärzte aus dem Kreml, die diesen Bericht verfaßt haben, wurden unter der Anklage verhaftet, daß sie versucht hätten, Stalin zu vergiften. Ob das stimmt oder nicht, wissen wir nicht, aber wir haben Informationen, daß sie ins Gefängnis Lubjanka gebracht worden sind. Wir haben zwar keine Informationen über ihr Schicksal, aber ich glaube kaum, daß es besonders rosig für sie aussieht. Die meisten dieser Ärzte sind Juden. Stalin macht kein Geheimnis daraus, daß er Juden haßt. In Rußland haben die Pogromebereits begonnen. Wir betrachten das als Indiz dafür, daß der gute alte Josef bald wieder mit seinen Säuberungen anfängt. Und es gibt noch etwas sehr Beunruhigendes, das Sie wissen sollten: Unsere Geheimdienstleute haben bestätigt, daß Stalin bereits Konzentrationslager in Sibirien und dem Ural bauen läßt. Er will zu Ende bringen, was die Nazis begonnen haben. Kommt einem doch bekannt vor, oder? Eine Steigerung von dem, was wir bei Adolf Hitler hatten.«
Massey starrte Branigan an. »Was genau wollen Sie damit sagen?«
Der stellvertretende Direktor mischte sich ein. »Jake, wir wissen, daß Max Simon diese Berichte von einem hochrangigen und äußerst verläßlichen russischen Kontaktmann aus der Botschaft in Bern erhalten hat. Er war Jude. Ich sage war, weil ich bezweifle, daß er noch lebt. Jedenfalls hat er sich Sorgen gemacht, wie übrigens einige andere nichtjüdische Freunde aus dem Kreml auch – Sorgen darüber, welche Richtung Moskau eingeschlagen hat. Ich will es einfach ausdrücken, Jake: Stalin ist eine Gefahr. Und nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt, einschließlich seines eigenen Volkes. Alle glauben, daß ein neuer Krieg bevorsteht, vom letzten Kongreßabgeordneten bis hin zum einfachen Mann auf der Straße. Und dieser Krieg wird anders aussehen als der letzte – aber es könnte sehr gut der letzte sein. Das Potential reicht für eine weltweite Vernichtung. Stalin hat sich darauf versteift, die Entwicklung der Wasserstoffbombe schneller abzuschließen als wir, und sehr wahrscheinlich wird ihm das gelingen. Das ist ein außerordentlich gefährliches Szenario.
Verdammt, so schnell wir können bauen wir überall im Land Schutzbunker vor dem Fallout, aber wir sind auf einen Krieg nicht vorbereitet. Onkel Joe hat in der Vergangenheit sehr deutlich gemacht, wie seine Pläne aussehen. Ein Krieg mit uns ist für ihn unausweichlich. Ich nehme an, er ist davon besessen … so eine Art Todeswunsch. Und dieser verrückte alte Mann mit seiner Besessenheit kann wahrscheinlich auch dafür sorgen, daß ihm dieser Wunsch erfüllt wird.«
Massey blickte ungeduldig von Branigan zum stellvertretenden Direktor. »Würde mir vielleicht mal jemand erklären, worauf das alles hinausläuft?«
»Jake, der Präsident glaubt, daß Stalin diese Bombe einsetzen wird, sobald sie fertig ist. Wir reden dabei von Monaten, nicht von Jahren. Wir können uns entweder hinter den Zaun hocken und warten, bis das Schlimmste eintritt, oder wir warten mit einer Lösung auf, die das Problem beseitigt. Eine Lösung, die unter diesen Umständen für alle Beteiligten besser ist. Es erfordert eine ziemlich außergewöhnliche Operation. Und ich möchte, daß Sie diesen Einsatz leiten.«
»Und was für ein Einsatz soll das sein? Was für eine Lösung, wie Sie es nennen?« wollte Massey wissen.
Es war Branigan, der die Antwort gab: »Wir töten Stalin.«
Das Schweigen lastete eine Zeitlang zwischen den Männern. Der stellvertretende Direktor betrachtete die kahlen Winterbäume, bevor er sich wieder Massey zuwandte:
»Sie sehen nicht glücklich aus, Jake. Ich hatte erwartet, daß Sie beeindruckt wären.«
»Wer ist auf diese
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