Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
kommen. Außerdem können wir auch jemand anderen als Repräsentanten einsetzen.«
Das stimmte. Der russische Zobel war der schönste und begehrteste – doch Lebel hatte noch ein As im Ärmel.
»Ich kann vielleicht keinen russischen Zobel verkaufen. Aber eine Firma in Kanada hat eine Marderart gezüchtet, die Ihrem Zobel sehr ähnlich ist. Glauben Sie mir, diese Felle sind die schönsten, die ich je gesehen habe. Entweder hören wir mit dieser armseligen Pantomime auf, oder ich kaufe ab sofort nicht mehr bei Ihnen.«
Lebel stand auf, als wollte er gehen.
»Warten Sie, Henri. Warten Sie. Ich bin sicher, daß wir die Angelegenheit einvernehmlich regeln können.«
Und das taten sie. Einige Anrufe bei den höheren Chargen des Ministeriums – dazu ein schöner Zobelmantel für die Gattin des Beamten –, und die Sache war geritzt. Lebel bekam die sowjetische Staatsbürgerschaft ehrenhalber. Das bedeutete, man mußte ihn nicht mehr als Fremden unter Beobachtung stellen.
Am nächsten Tag ging er wieder zu der Wohnung am Lenin-Prospekt. Er überprüfte, ob man ihm noch folgte. Die Beschattung war aufgehoben. Es war zwar immer noch ein sehr großes Risiko, aber es schien die Sache wert. Die Scharade im Ministerium war nötig gewesen. Denn jeder sowjetische Staatsbürger, der mit einem Westler Kontakt hatte, bekam sofort die Konsequenzen zu spüren. Er wurde Benachteiligungen und Repressalien ausgesetzt. Lebel war natürlich kein Narr: Seine Post in Moskau würde zweifellos weiterhinüberprüft, und seine Telefongespräche würden abgehört. Aber damit konnte er leben. Er klopfte an die Tür, und Irina machte auf.
Als sie ihn sah, wurde sie kreidebleich, und als der erste Schock verebbte und sie ihn in ihre Zweizimmerwohnung bat, hatte sie Tränen in den Augen.
Lange Zeit umarmten und küßten sie sich und weinten. An diesem Tag erfuhr Lebel zwei Dinge: Erstens liebte er Irina Dezowa immer noch – mehr, als er geahnt hatte –, und zweitens erfuhr er, daß sie verheiratet war. Oder genauer: Sie war verheiratet gewesen, als sie ihre Affäre im Lager gehabt hatten. Ihr Ehemann, ein viel älterer, strenger Armeeoberst, war später in der Schlacht um Berlin gefallen.
Lebel hatte kein besonders schlechtes Gewissen, was ihre Affäre im Lager anging. Wenn der Tod so nahe war, nahm man jeden Trost, den man bekommen konnte. Außerdem gibt es so etwas wie einen wirklich ehrlichen Geschäftsmann nicht, und bei seinen Verhandlungen hatte er häufig erheblich schwerere Sünden begangen als Ehebruch. Irina war auch nicht traurig deswegen, im Gegenteil. Sie gestand, daß sie an dem Tag, an dem sie vom Tod ihres Mannes erfuhr, eine Flasche Wodka geköpft und sich vor Freude vollkommen betrunken hatte. Ihr Mann war ziemlich brutal gewesen; der einzige Gefallen, den er ihr jemals erwiesen hatte, war die Witwenpension sowie die Datscha außerhalb Moskaus, die er ihr hinterließ.
Sie liebten sich an dem Tag mit einer Intensität, die Lebel noch nie erlebt hatte, und in der Folgezeit trafen sie sich so oft es ging in Irinas Datscha, wo sie ungestört waren.
Als sie an diesem ersten Tag nach all den Jahren im Bett lagen, hatte Irina seinen ausladenden Bauch getätschelt und gelacht.
»Du bist wahrhaftig kein Skelett mehr, Henri. Du bist fett geworden, mein kleiner Franzose. Aber ich liebe dich immer noch.«
Er war tatsächlich etwas korpulent geworden, doch er erkannte an Irinas Miene, daß sie ihn wirklich noch liebte.
Auch Irina Dezowa war äußerlich eine ganz andere geworden. Ihr Körper war sehr weiblich und ihr Busen üppiger undviel tröstender, als Lebel ihn in Erinnerung hatte. Nur ihre Lust auf Liebe war noch genauso unstillbar.
Doch Lebel wußte, daß man Irina trotz seiner Verbindungen niemals würde ausreisen lassen. Niemandem wurde die Ausreise aus Stalins Rußland gestattet. Dissidenten wurden erschossen, in Heime überstellt oder lebenslänglich eingesperrt. Schon der bloße Antrag auf ein Ausreisevisum stempelte den Antragsteller als Verräter ab, den das Erschießungskommando oder der Gulag erwarteten. Jedesmal, wenn Lebel und Irina sich trafen, vier-, fünfmal im Jahr, wenn möglich öfter, achtete er besonders sorgfältig darauf, daß er nicht verfolgt wurde. Mit der Zeit entwickelte er einen ausgeprägten Sinn für Tricks und Schliche, wenn er zur Datscha fuhr.
Es war nicht perfekt, und sicher war es auch nicht. Jedesmal wenn sie zusammen waren, fürchtete Lebel, daß ihre Beziehung entdeckt und – was noch
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