Operation Zombie
und Japan müsste umgehend evakuiert werden.
Das muss schrecklich gewesen sein.
Keineswegs! Es löste eine Explosion hektischer Aktivitäten aus, ein Wettrennen darum, wo sich unsere Nation niederlassen könnte. Sollte es im Süden sein, auf den Korallenatollen des zentralen und südlichen Pazifiks, oder sollten wir nach Norden ausweichen und die Kurilen, Sachalin oder einen Teil Sibiriens kolonisieren? Wer die Antwort darauf finden konnte, der würde zum größten Otaku in der Geschichte des Cyberspace werden.
Und Sie haben sich gar keine Sorgen um Ihre persönliche Sicherheit gemacht ?
Natürlich nicht. Japan war dem Untergang geweiht, aber ich lebte nicht in Japan.
Ich lebte in einer Welt freier Informationen. Die Siafu, so nennen wir die Infizierten heute, musste man nicht fürchten, man musste sie studieren. Sie können sich keine Vorstellung davon machen, wie unbeteiligt ich war. Meine Kultur, meine Erziehung und jetzt mein Otaku-Lebensstil trugen alle dazu bei, mich vollkommen zu isolieren. Japan mochte evakuiert werden, Japan mochte zerstört werden, doch ich würde mir das alles von meinem sicheren digitalen Berggipfel herab mit ansehen.
Was war mit Ihren Eltern?
Was sollte mit ihnen sein? Wir lebten in derselben Wohnung, aber ich unterhielt mich so gut wie nie mit ihnen. Ich bin sicher, sie glaubten, dass ich lerne. Auch als die Schulen geschlossen wurden, sagte ich ihnen, dass ich für Prüfungen lernen müsste. Sie fragten nie nach. Mein Vater und ich wechselten kaum je ein Wort miteinander. Morgens stellte meine Mutter ein Tablett mit Frühstück vor meine Tür, abends mein Abendessen. Als sie mir das erste Mal kein Tablett hinstellte, dachte ich mir nichts weiter dabei. Ich wachte morgens auf wie immer; wusch mich wie immer, loggte mich ein wie immer. Es wurde Mittag, bis ich Hunger bekam. Ich hasste diese Gefühle, Hunger oder Müdigkeit oder, am schlimmsten, sexuelles Verlangen. Das waren körperliche Ablenkungen. Sie ärgerten mich. Ich wandte mich widerwillig von meinem Computer ab und machte die Tür meines Zimmers auf. Kein Essen. Ich rief nach meiner Mutter. Keine Antwort. Ich ging in den Küchenbereich, schnappte mir etwas Essbares und lief wieder zu meinem Schreibtisch zurück. So machte ich es am Abend und am nächsten Morgen wieder.
Sie haben sich nie gefragt, wo Ihre Eltern sein könnten?
Mich interessierte das nur, soweit es die kostbaren Minuten betraf, die ich für die Beschaffung meines Essens vergeuden musste. In meiner Welt passierten einfach zu viele aufregende Dinge.
Was ist mit den anderen Otaku? Haben die sich nicht über ihre Ängste unterhalten?
Wir teilten einander Fakten mit, keine Gefühle, auch dann nicht, als nacheinander alle verschwanden. Mir fiel auf, dass jemand seine E-Mails nicht beantwortete oder eine Weile nichts mehr gepostet hatte. Ich sah, dass sie sich einen Tag lang nicht mehr eingeloggt hatten oder ihre Server nicht mehr aktiv waren.
Und das hat Ihnen keine Angst gemacht?
Es ärgerte mich. Ich verlor nicht nur eine Informationsquelle, ich verlor einen potenziellen Bewunderer. Wenn man neue Fakten über die japanischen Evakuierungshäfen postete und fünfzig statt sechzig Antworten erhielt, dann beunruhigte einen das, und wenn diese fünfzig dann auf vierzig sanken, dann auf dreißig...
Wie lange ging das so?
Etwa drei Tage. Das letzte Posting stammte von einem anderen Otaku in Sendai, der mir mitteilte, dass die Toten jetzt aus der Universitätsklinik von Toki strömten, die im selben Viertel lag wie seine Wohnung.
Und das hat Sie nicht beunruhigt?
Warum sollte es? Ich war zu sehr damit beschäftigt, alles über die Evakuierung zu lernen, was ich konnte. Wie sollte sie durchgeführt werden, welche Regierungsorganisationen waren damit beauftragt? Würden die Lager in Kamtschatka oder Sachalin liegen, oder in beiden? Und was las ich da über die Selbstmordwelle, die das Land überzog? So viele Fragen, so viele Daten zu ernten.
Ich verfluchte mich, weil ich nachts schlafen musste. Als ich erwachte, war der Bildschirm leer. Ich versuchte, mich einzuloggen. Nichts. Mir fiel auf, dass auf Batteriebetrieb umgeschaltet worden war. Kein Problem, ich hatte genug Ersatzbatterien für zehn Stunden ununterbrochenen Betrieb. Außerdem bemerkte ich, dass die Stärke meines Signals auf null gesunken war. Das konnte ich nicht glauben. Kokura verfügte, wie ganz Japan, über ein kabelloses Netzwerk auf dem allerneuesten Stand der Technik, das angeblich
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