Operation Zombie
muss sehr schwierig gewesen sein.Die ersten paar Monate vergingen, als würde es sich lediglich um eine normale Patrouille handeln. Raketen-U-Boote wurden so entwickelt, dass sie sich verstecken können, und genau das haben wir getan. Tief und lautlos. Wir waren nicht sicher, ob unsere eigenen U-Boote nach uns suchten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte unsere Regierung andere Sorgen. Dennoch wurden regelmäßig Gefechtsübungen durchgeführt und die Zivilisten in der Kunst der Lärmdisziplin unterrichtet. Der Erste Offizier ging sogar so weit, dass er die Messe mit einer speziellen Schalldämmung versehen ließ, damit die Kinder dort spielen und unterrichtet werden konnten. Die Kinder, speziell die kleineren, hatten keine Ahnung, was los war. Viele waren sogar mit ihren Angehörigen durch infizierte Gebiete gereist und waren teils nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie wussten nur, dass die Ungeheuer fort waren und sie nur noch in ihren Alpträumen heimsuchten. Jetzt waren sie in Sicherheit, und für sie zählte einzig und allein das. Ich denke, in den ersten Monaten dachten wir alle so. Wir waren am Leben, wir waren zusammen, wir waren in Sicherheit. Wenn man überlegte, was mit dem Rest des Planeten passierte, was konnte man da mehr verlangen?
Hatten Sie eine Möglichkeit, die Krise zu verfolgen?
Anfangs nicht. Unser Ziel war Geheimhaltung, wir wollten die Schifffahrtslinien der Handelsmarine ebenso meiden wie die Patrouillensektoren der U-Boote ... unsere und Ihre. Aber wir stellten Spekulationen an. Wie schnell breitete es sich aus?
Welche Länder waren am meisten betroffen? Nutzte jemand die nukleare Option?
Wenn ja, hätte das unser aller Ende bedeutet. Auf einem strahlenverseuchten Planeten konnten die wandelnden Toten die einzigen Kreaturen sein, die »überlebten«. Wir wussten nicht, was eine hohe Strahlendosis dem Gehirn eines Zombies antun würde. Würde sie sie am Ende töten, die grauen Zellen mit zahlreichen wachsenden Tumoren schädigen? Das wäre bei einem normalen menschlichen Gehirn so gewesen, aber da die lebenden Toten jedem anderen Naturgesetz widersprachen, weshalb sollte es sich gerade bei dieser Reaktion anders verhalten? In manchen Nächten beschworen wir im Aufenthaltsraum beim Feierabendtee mit leisen Stimmen Bilder von Zombies, so schnell wie Geparden, so behände wie Affen, Zombies mit mutierten Gehirnen, die wuchsen und pulsierten und aus den beengenden Schädeln platzten. Obermaat Song, unser Reaktoroffizier, hatte seine Wasserfarben mit an Bord gebracht und das Aquarell einer zerstörten Stadt gemalt. Er versuchte, uns einzureden, dass es keine spezielle Stadt wäre, aber wir erkannten alle die verwüstete Silhouette von Pudong.
Song war in Schanghai aufgewachsen. Der verwüstete Horizont glühte in düsterem Magenta vor dem pechschwarzen Himmel des nuklearen Winters. Ein Ascheregen fiel auf die Insel aus Trümmern, die aus Seen geschmolzenen Glases aufragten. Durch die Mitte dieses apokalyptischen Panoramas schlängelte sich ein Fluss, eine braungrüne Schlange, die zu einem Kopf aus tausend ineinander verhakter Leiber aufstieg: rissige Haut, frei liegende Gehirne, Fleisch, das von ausgestreckten Armen über Gesichtern mit offenen Mündern und rot glühenden Augen tropfte. Ich weiß nicht, wann Kommandeur Song sein Projekt begann, nur dass er es einigen von uns im Geheimen nach drei Monaten auf See zeigte. Er hatte nie vor, es Kapitän Chen zu zeigen. Er wusste es besser. Aber jemand musste geredet haben, denn der Alte machte dem wenig später ein Ende. Song erhielt den Befehl, sein Werk mit etwas Aufmunterndem zu übermalen, einem Sonnenaufgang über dem Diansee. Danach ließ er mehrere »positive« Wandgemälde auf jedem freien Schott folgen. Außerdem verbot Kapitän Chen alle Spekulationen nach Dienstende. »Schadet der Moral der Besatzung.« Aber ich glaube, es überzeugte ihn davon, dass er wieder eine Art von Kontakt mit der Außenwelt herstellen sollte.
Eine Art Kontakt in Form von aktiver Kommunikation oder passiver Beobachtung?
Letzteres. Er wusste, Songs Gemälde und unsere apokalyptischen Diskussionen waren die Folge unserer langen Isolation. Die einzige Möglichkeit, weiterem »gefährlichem Denken« einen Riegel vorzuschieben, bestand darin, Spekulationen durch harte Fakten zu ersetzen. Wir waren fast hundert Tage und Nächte ohne Kontakt zur Außenwelt gewesen. Wir mussten wissen, was los war, auch wenn es so finster und hoffnungslos aussah wie
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