Operation Zombie
»Präsidentensuite«. Die luxuriöse Umgebung und die teuren, fast unerschwinglichen Medikamente sind das Mindeste, was die Regierung für den ersten und bislang einzigen Kommandanten der Internationalen Raumstation tun kann. Mit seinen eigenen Worten: »Nicht schlecht für den Sohn eines Opalschürfers aus Andamooka.« Sein welker Körper scheint während unseres Gesprächs aufzublühen. Auch sein Gesicht bekommt wieder etwas Farbe.]
Ich wünschte, einige der Geschichten, die sie über uns erzählen, wären wahr.
Dann wäre alles noch heroischer.
[Lächelt.]
In Wahrheit waren wir nicht »gestrandet«, nicht in dem Sinn, dass wir plötzlich und unerwartet da oben gefangen gewesen wären. Niemand konnte besser sehen, was passierte, als wir.
Niemand war überrascht, als unsere Nachfolger nicht von Baikonur aus starteten oder Houston uns befahl, uns zur Evakuierung in die X-38 zu zwängen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass wir Befehle missachteten oder uns darum prügelten, wer bleiben durfte. Was sich wirklich abspielte, das war viel banaler und vernünftiger. Ich beorderte das Wissenschaftlerteam und das gesamte entbehrliche Personal zurück zur Erde und ließ dem Rest der Besatzung danach die Wahl, ob sie bleiben wollte. Wenn das »Rettungsboot« X-38 fort war, würden wir rein technisch gesehen festsitzen, aber wenn man bedenkt, was damals auf dem Spiel stand, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von uns wirklich gehen wollte. Die ISS ist eines der größten Wunder menschlicher Ingenieurskunst. Wir sprechen von einer Orbitalplattform, die so groß war, dass man sie mit bloßem Auge von der Erde aus erkennen konnte. Es hatte sechzehn Länder zehn Jahre, mehrere hundert Weltraumspaziergänge und mehr Geld, als jemand ohne sicheren Job je zulassen würde, gekostet, sie zu vollenden. Was würde es kosten, wieder eine zu bauen, wenn jemals wieder eine gebaut werden konnte? Noch wichtiger als die Station war der unkalkulierbare und gleichermaßen unersetzliche Wert unseres globalen Satellitennetzwerks. Damals befanden sich über dreitausend im Orbit, und die Menschheit war auf jeden davon angewiesen, von Kommunikation über Navigation bis hin zu Überwachung und so banalen Dingen wie einer einigermaßen verlässlichen Wettervorhersage. Dieses Netzwerk war für die moderne Welt so wichtig, wie es Straßen in antiken Zeiten oder das Eisenbahnnetz für das Industriezeitalter gewesen waren. Was würde aus der Menschheit werden, wenn diese so unersetzlich kostbaren Verbindungen einfach vom Himmel fallen würden? Wir hatten nie den Plan, alle zu retten. Das war unrealistisch und unnötig. Wir mussten uns nur auf die Systeme konzentrieren, die für die Kriegführung am wichtigsten waren, nur ein paar Dutzend Vögel, die in der Luft bleiben mussten. Das allein rechtfertigte das Risiko zu bleiben.
Hatte man Ihnen je eine Rettung versprochen?
Nein, und wir erwarteten auch keine. Die Frage war nicht, wie wir zur Erde zurückkehren sollten, die Frage war, wie wir da oben am Leben bleiben würden.
Selbst mit unseren Sauerstofftanks und Perchloratkerzen für den Notfall, selbst mit dem Wiederaufbereitungssystem für Wasser, das mit voller Leistung lief, hatten wir nur Nahrung für rund siebenundzwanzig Monate, die Versuchstiere in den Labormodulen eingeschlossen. Keines wurde benutzt, um irgendwelche Seren zu testen, daher war ihr Fleisch noch genießbar. Ich kann immer noch ihre Schreie hören, sehe immer noch die Blutstropfen in der Mikroschwerkraft schweben. Nicht einmal da oben konnte man dem Blutvergießen ganz entkommen. Ich versuchte, wissenschaftlich vorzugehen, den Nährwert jedes schwebenden roten Tropfens zu berechnen den ich aus der Luft sog. Ich redete mir immer ein, dass es dem Wohl der Mission diente, und nicht nur, um meinen unmäßigen Hunger zu stillen.
Erzählen Sie mir bitte mehr von dieser Mission. Wenn Sie in der Station gefangen waren, wie haben Sie es da geschafft, die Satelliten in ihren Orbits zu halten?
Wir haben das ATV »Jules Verne Drei« benutzt, die letzte Nachschubkapsel, die starten konnte, bevor Französisch- Guayana überrannt wurde. Ursprünglich war es als Einwegfahrzeug konzipiert worden; nach dem Löschen der Fracht sollten wir es mit Abfall beladen und dann zur Erde zurückschicken, damit es in der Atmosphäre verglühte. Wir haben es mit einer manuellen Steuerung und einer Pilotencouch ausgestattet. Ich wünschte, wir hätten es mit einem richtigen
Weitere Kostenlose Bücher