Operation Zombie
sich der Rest der Welt »ohne imperialistische Intervention« entwickeln konnte. Vielleicht hatten die lebenden Toten nicht nur Verheerung über die Welt gebracht. Viel leicht bescherten sie letztendlich ja allen eine gerechte Zukunft. Also mein Volk empfindet wenig Sympathie für die Gringos aus dem Norden, und meine Familie hatte genug unter Pinochet gelitten, dass diese Abneigung für mich durchaus einen persönlichen Aspekt hatte, aber es kommt der Punkt, da müssen persönliche Emotionen objektiven Fakten weichen. Wie konnte es eine »weiße Hegemonie« geben, wo doch China und Indien die dynamischsten Ökonomien vor dem Krieg besaßen und die florierendste Wirtschaft während des Krieges zweifellos Kuba? Wie konnte man die kälteren Länder als Problem des Nordens bezeichnen, wo doch so viele Menschen im Himalaja, in den Anden oder in meiner Heimat Chile ums Überleben kämpften? Nein, dieser Mann und alle, die ihm zustimmten, sprachen nicht von einer gerechten Zukunft. Sie wollten nur Rache für die Vergangenheit.
[Seufzt.]
Nach allem, was wir durchgemacht hatten, konnten wir immer noch nicht über unseren eigenen Tellerrand hinaus blicken und gingen uns gegenseitig an die Kehlen.
Ich stand neben der russischen Delegierten und versuchte, sie daran zu hindern, über ihren Sitz zu klettern, als ich die Stimme eines anderen Amerikaners hörte. Die seines Präsidenten. Der Mann brüllte nicht und versuchte nicht, wieder Ordnung herzustellen. Er sprach einfach mit diesem ruhigen, festen Tonfall, den meines Erachtens seither kein anderer Herrscher dieser Welt nachahmen konnte. Er dankte seinen »freundlichen Delegierten« sogar für ihre »geschätzten Meinungen« und gab zu, dass es aus einer rein militärischen Warte gesehen keinen Grund gab, »das Schicksal herauszufordern«. Wir hatten im Kampf mit den Untoten ein Patt erreicht, und zukünftige Generationen mochten vielleicht imstande sein, den gesamten Planeten wieder ohne Gefahr für Leib und Leben zu bewohnen. Ja, unsere Verteidigungsstrategien hatten die menschliche Rasse gerettet, aber was war mit dem menschlichen Kampfgeist? Die lebenden Toten hatten uns viel mehr genommen als nur das Land und unsere Liebsten. Sie hatten uns die Gewissheit genommen, dass wir die Krone der Schöpfung waren. Wir waren eine erschütterte, gebrochene Gattung, die an den Rand der Ausrottung gebracht worden und schon dankbar war, wenn sie morgen vielleicht ein bisschen weniger leiden musste als heute. Sollte dies das Erbe sein, das wir unseren Kindern hinterließen, ein Maß an Nervosität und Selbstzweifeln, wie wir es nicht mehr gekannt hatten, seit unsere frühesten Vorfahren auf den höchsten Bäumen gekauert hatten? Was für eine Art von Welt sollten sie wiederaufbauen? Könnten sie überhaupt wieder eine aufbauen? Würde es einen Fortschritt bei ihnen geben, wenn sie wussten, dass wir in unserer Ohnmacht die Zukunft nicht für uns zurückerobern konnten? Und wenn sich die lebenden Toten irgendwann in der Zukunft abermals erheben sollten? Könnten unsere Nachkommen sich dann erheben und ihnen entgegentreten, oder würden sie einfach schwächlich kapitulieren und das Schicksal der Ausrottung akzeptieren, das ihrer Überzeugung nach unvermeidlich wäre? Allein aus diesen Gründen müssten wir unseren Planeten zurückerobern. Wir müssten uns selbst beweisen, dass wir es können, und diesen Beweis als das größte aller Denkmäler dieses Krieges hinterlassen. Ein langer, harter Weg zurück zur Menschheit oder ein regressiver Niedergang der einst stolzesten Primaten der Erde. Das sei die Entscheidung, und sie müsste jetzt getroffen werden. Typisch Norteamericano, nach den Sternen greifen, während sie mit den Ärschen noch im Schlamm steckten. Ich nehme an, in einem Film der Gringos wäre an dieser Stelle irgendein Idiot aufgestanden und hätte geklatscht, und nach und nach hätten alle in dieses Klatschen eingestimmt, wir hätten eine Träne über irgendjemandes Wange rollen sehen oder irgend so einen abgedroschenen Kitsch. Alle blieben stumm. Keiner bewegte sich. Der Präsident gab bekannt, dass wir die Sitzung auf den Nachmittag vertagen würden, damit wir Zeit hätten, über seinen Vorschlag nachzudenken, und uns bei Einbruch der Dämmerung wieder zur Abstimmung versammeln wollten.Als Marineattaché durfte ich an dieser Abstimmung nicht teilnehmen. Während der Botschafter über das Schicksal unseres geliebten Chile entschied, blieb mir nichts anderes
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