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Operation Zombie

Operation Zombie

Titel: Operation Zombie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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erinnere mich noch an ihre Gesichter, schmutzig und pickelig, ihre blutunterlaufenen Augen, wenn sie sich den Lauf ihres Gewehrs in den Mund schoben. Was hätte man anderes tun können? Es dauerte nicht lange, da fingen sie mit Gruppenselbstmorden an; alle, die im Kampf gebissen worden waren, versammelten sich vor dem Lazarett, damit sie alle im selben Moment abdrücken konnten. Ich vermute, es war tröstlich zu wissen, dass sie nicht allein sterben mussten. Vermutlich der einzige Trost, den sie erwarteten. Von mir bekamen sie definitiv keinen.
    Ich war ein religiöser Mann in einem Land, das seinen Glauben schon lange verloren hatte. Nach Jahrzehnten des Kommunismus, gefolgt von einer materialistischen Demokratie, wusste diese Generation von Russen wenig vom »Opium des Volkes« und verspürte auch kein Verlangen danach. Als Kaplan bestand meine Pflicht hauptsächlich darin, Briefe der zum Tode verdammten Jungs an ihre Familien einzusammeln und jeglichen Wodka zu verteilen, den ich auftreiben konnte. Es war eine so gut wie nutzlose Existenz, das wusste ich, und angesichts der Entwicklung in unserem Land bezweifelte ich, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde.
 Es war unmittelbar nach der Schlacht von Kostroma, nur wenige Wochen vor dem Beginn des offiziellen Angriffs gegen Moskau. Ich war ins Lazarett gekommen, um den Infizierten die Letzte Ölung zu geben. Man hatte sie getrennt untergebracht; einige waren schwer verstümmelt, andere noch gesund und bei klarem Verstand.  Der erste Junge konnte nicht älter als siebzehn gewesen sein. Er war nicht gebissen worden, das wäre barmherzig gewesen. Die Salve eines SU-152-Gewehrs hatte dem Zombie die Unterarme abgerissen. Zurückblieben nur verwestes Fleisch und gebrochene Knochen mit gezackten Kanten, so scharf wie Speere. Sie hatten sich durch die Kleidung des Jungen gebohrt, wo unversehrte Hände ihn einfach nur gepackt hätten. Er lag auf der Pritsche, blutete aus einer Wunde am Bauch, war aschfahl und hielt das Gewehr noch in der zitternden Hand.  Neben ihm lagen fünf weitere infizierte Soldaten in einer Reihe. Ich versicherte ihnen pflichtschuldig, dass ich für ihre Seelen beten würde. Sie zuckten entweder die Achseln oder nickten höflich. Ich nahm ihre Briefe, wie immer, gab ihnen etwas zu trinken und verteilte sogar ein paar Zigaretten von ihrem kommandierenden Offizier. Das hatte ich zwar schon oft gemacht, aber jetzt kam es mir seltsam anders vor. Etwas regte sich in mir, ein sonderbares Kribbeln, das sich einen Weg durch mein Herz und meine Lungen bahnte. Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zitterte, als sich die Soldaten alle zusammen die Mündungen ihrer Waffen unter das Kinn hielten. »Auf drei«, sagte der Älteste von ihnen. »Eins ... zwei...« Weiter kamen sie nicht. Der Siebzehnjährige kippte nach hinten und fiel zu Boden. Die anderen betrachteten fassungslos das Loch in seiner Stirn, dann die rauchende Pistole in meiner Hand, in Gottes Hand.  Gott sprach zu mir, ich konnte die Worte in meinem Kopf hallen hören. »Keine Sünden mehr«, sagte er zu mir, »keine Seelen mehr, die zur Hölle fahren.« Es war so klar, so einfach. Offiziere, die Soldaten töten mussten, hatten uns so viele gute Offiziere gekostet, und Soldaten, die Selbstmord begingen, kosteten den lieben Gott zu viele Seelen. Selbstmord war eine Sünde, und wir, seine Diener - die sich entschieden hatten, seine Hirten auf Erden zu sein - waren die Einzigen, die das Kreuz tragen sollten, in infizierten Körpern gefangene Seelen zu befreien! Das berichtete ich dem Divisionskommandanten, als ihm zu Ohren gekommen war, was ich getan hatte, und das ist die Botschaft, die zuerst jeder Kaplan auf dem Schlachtfeld und danach jeder zivile Priester in ganz Mütterchen Russland erhielt.  Was später als Akt der »letzten Reinigung« bekannt wurde, das war lediglich der erste Schritt zu einer religiösen Verzückung, die sogar noch weiter gehen sollte als die iranische Revolution in den 1980er Jahren. Gott wusste, dass seinen Kindern seine Liebe zu lange vorenthalten worden war. Sie brauchten Halt, Mut, Hoffnung!  Man könnte sagen, das ist der Grund dafür, dass wir als eine Nation des Glaubens aus diesem Krieg hervorgegangen sind und seither unseren Staat auf der Grundlage des christlichen Glaubens neu aufgebaut haben.
    Sind die Gerüchte denn wahr, dass diese Philosophie aus politischen Gründen pervertiert wurde?
    [Pause. ]  Ich verstehe nicht.
    Der Präsident hat

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