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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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erzählte mir, daß er Neueinstellungen nur beim Reinigungspersonal für die Maschinen vornehme, dafür aber länger beschäftigtes Reinigungspersonal nach und nach in die Produktion übernehme. Die brauchten dann nicht mehr lange angelernt zu werden, weil sie mit den Vorgängen schon vertraut seien.
    Neulich habe er wegen der Betriebserweiterung, mir wurde langsam der Ernst der Lage bewußt, wieder ein paar Reinigungsstellen ausgeschrieben. 149 Bewerbungen habe es gegeben. Mit allen sei telefonisch Rücksprache gehalten worden, bis man schließlich vierzehn ausgewählt und zum persönlichen Gespräch geladen habe. Es gehe um acht freie Stellen für Ausländerinnen. Inländerinnen seien für den Reinigungsjob ohnedies nicht mehr zu kriegen, weil sie in falschen finanziellen Vorstellungen lebten. Gerne hätte ich ihm beigepflichtet, wäre da nicht dieses drückende Gefühl gewesen, daß er mir damit etwas ganz anderes sagen wolle.
    »Auf heute vormittag um elf Uhr«, fuhr er fort, »waren die Bewerbungsgespräche angesetzt. Ich wollte das noch schnell hinter mich bringen. Was meinen Sie« – wir haben uns auf einer Feier der Industriellenvereinigung vor langer Zeit darauf geeinigt, beim Sie zu bleiben – »was meinen Sie, wie viele gekommen sind?«
    »Nur die Hälfte«, antwortete ich und war plötzlich überzeugt davon, daß er mir das abgeschlossene Geschäft nur vorgaukeln will, um mich in der entscheidenden letzten Phase davon abzuhalten, weitere Vorstöße zu unternehmen. Meine Beziehung zu Ihrer Hoheit war schließlich in den Zeitungen immer wieder Klatschthema gewesen. Also mußte er vermuten, daß ich häufig in die Schweiz fahre, was es mir, und da lag er ja gar nicht so falsch, zweifellos erleichterte, persönliche Kontakte zur Generaldirektion des Discounters zu knüpfen. Er wollte mich austricksen.
    »Wahrscheinlich nur die Hälfte«, sagte ich, »bei mir ist es nicht anders.«
    »Nicht eine Menschenseele«, jammerte er und streckte dabei den Zeigefinger hoch, »nicht eine Menschenseele ist heute um elf erschienen. 149 Bewerbungen und nicht ein Kopftuch kommt zum Interview. Aber über die Arbeitslosigkeit jammern. Wie soll ich das verstehen?«
    »Wahrscheinlich ist das Lohnniveau für Reinigungspersonal bei Ihnen nicht höher als bei mir«, sagte ich.
    Er war einen Moment verdutzt. »Aber bevor ich gar nichts habe? Da gehe ich doch lieber putzen. Denen wurde am Telefon ausdrücklich gesagt, daß es längerfristig Aufstiegschancen gibt.«
    »Ich würde es auch nicht machen«, sagte ich. Jetzt gefiel mir sein Gesicht.
    »Siehst Du«, sagte seine Frau mit dem stadtbekannten Herz für ausgesetzte Babies, »ich habe Dir immer gesagt, daß die zuwenig verdienen.« Sie hatte vorher ihre tanzende Tochter beobachtet und sich nun unserem Gespräch zugewandt.
    »Aber das hat doch damit nichts zu tun«, fuhr sie der Kommerzialrat an. »Hat je eine unserer Arbeiterinnen ihr Baby zu Deinem Hilfsfonds gebracht?«
    »Das kannst Du nicht wissen«, sagte sie. »Es gibt genug Frauen, denen es gelingt, ihre Schwangerschaft zu verbergen. Wir kriegen ja auch hauptsächlich so Hascherl von zweieinhalb Kilo.«
    Ich muß gestehen, daß mir die Situation nicht unangenehm war. Jedermann wußte, daß Kommerzialrat Schwarz mittlerweile mit dem Hilfsfonds seiner Frau die größten Probleme hatte. Als das Zentrum für elternlose Babies, vom Voksmund Findelkindagentur genannt, gegründet wurde, damals, als an einem Tag in Wien gleich drei Babies ausgesetzt wurden, waren alle Zeitungen voll des Lobes für die Frau Kommerzialrat, die nur noch mit fremden Babies im Arm abgebildet wurde. Es fiel auch genügend PR für die Floridsdorfer Bäckerei ab, die ein paar Brosamen an die hilflosesten der Armen verstreute, so daß das Medienlächeln von Kommerzialrat Schwarz vermutlich nicht einmal angestrengt war. Bald jedoch setzte Kritik ein, die dem Lächeln des Kommerzialrats deutlich angespanntere Züge verpaßte. Seit es die Findelkindagentur gab, die ausgesetzte Babies so lange betreut, bis sich nach strengsten Fürsorgemaßstäben ausgewählte Adoptiveltern finden, stieg auch die Zahl der Findelkinder rasant an. Die Einkaufstaschen und mit Styropor ausgekleideten Schachteln wurden dem Betreuungszentrum in der Nacht regelrecht vor die Tür gestellt. Die Polizei verstärkte daraufhin ihre Patrouillen. Anfangs sogar mit Erfolg. Es wurden ein Großvater, zwei Väter, eine Mutter und ein Mann aufgegriffen, dessen Verhältnis zum mitgebrachten

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