Opernball
sagte ich, »dann muß ich zum Flughafen.«
»Kommt endlich die Frau Fürstin?« fragte der alte Dolezal. »Ich habe schon gedacht, Sie wollen sie den Wienern vorenthalten. Auch wir erwarten noch einen Gast.«
Der alte Dolezal war nur ein paar Jahre älter als ich. Wen sie eingeladen hatten, wollte er mir nicht verraten. Es sei eine Überraschung. Nur ETV wisse es, damit er den gebührenden Auftritt bekomme.
O Gott, jetzt haben sie es geschafft, dachte ich mir. Monika küßte mich auf die Wange. Obwohl ich sie schon ein Jahr nicht gesehen hatte, war sie von einer herzlichen Vertrautheit, als würden wir alle paar Tage intime Gespräche führen. Ich setzte mich neben sie, Jan Friedl gegenüber.
Die Dolezals verbreiteten auf dem Opernball eine Heurigenstimmung. Es konnte durchaus sein, daß sie bei einer bekannten Melodie plötzlich mitsangen. Kein Unglück der Welt konnte ihnen die Stimmung verderben.
»Mir raubt nix mei Rua / des mocht da Hamua«, sang die alte Dolezal, während das Orchester eine schnelle Polka spielte. Unter dem Bühnenportal stand, mitten unter den herumwirbelnden Tanzpaaren, ein weißhaariger Mann und zog nur die Hände seiner jungen Partnerin hin und her, so, als würden sie Stockeinsätze für das Langlaufen trainieren. Seine Partnerin sah auf den ersten Blick nackt aus. Ihr Kleid war fast unsichtbar. Sie wiegte ihren Körper und vollführte dabei diese merkwürdigen Ruderbewegungen. Wenn zwischen den Tanzenden ein Loch entstand, konnte man freilich die herabbaumelnden Streifen ihres Kleides sehen.
»Habt Ihr schon wieder etwas entdeckt?« fragte die alte Dolezal. »Ach die dort, die bereitet sich nur auf das künftige Glück vor.«
Ihr Mann sagte: »Vielleicht bereitet sie ihn auf sein heutiges Glück vor. Morgen wird er wieder springen wie ein Känguruh.«
»Für alles gibt es eine Medizin«, stimmte sie ihm zu. »Kommt die Nawratil zur Pospischil. Ach, modern sind die Zeiten geworden, Frau Pospischil. Gibt heitzutage für alles a Medizin. Haben sie's im Genick, gehn sie zum Genickologen, haben sie's in die Uhrn, gehn sie zum Uhrologen, haben sie's in die Gedärm, gehn sie zum Därmatologen, und haben sie's gar in der Blasen, gehn sie zum Pischiater.«
»Kennen Sie den?« fragte der alte Dolezal, als alle zur Kaiserloge schauten, wo der österreichische Bundeskanzler gerade dem deutschen Bundeskanzler die Hand schüttelte und mit einer Geste der anderen Hand zum Ballsaal wies, als wollte er sagen: Wenn die Deutschen anspruchsvoll feiern wollen, kommen sie nach Wien.
»Der österreichische Bundeskanzler fragt den deutschen Bundeskanzler: Wie macht ihr das? Bei euch spricht die ganze Regierung eine Sprache, bei uns erzählt jeder Minister, was ihm gerade einfällt. Antwortet der deutsche Bundeskanzler: Ich frage die Leute: Wer ist das, er ist der Bruder meiner Schwester und doch nicht mein Bruder. Wenn der Gefragte antwortet, das sind Sie, Herr Bundeskanzler, kann er Regierungsmitglied werden. Beim nächsten Ministerrat stellt der österreichische Bundeskanzler die Testfrage. Betretenes Schweigen. Schließlich sagt er: Ich weiß auch nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund ist das der deutsche Bundeskanzler.«
Wenn man dem alten Dolezal zusah, wie er über seine eigenen Witze lachte, mußte man unweigerlich mitlachen, auch wenn man den Witz schon zwanzigmal gehört hatte.
»Wie weit ist Dein Ostfeldzug gediehen?« fragte ich Monika.
»Wenn die feindlichen Armeen abgezogen sind«, antwortete sie, »erobere ich den Kaukasus. Ich habe begonnen, mich einzuarbeiten. Interessant dürfte vor allem der Süden, Transkaukasien, sein. An den Küsten des Schwarzen und Kaspischen Meeres gedeiht praktisch alles. Im Orangengeschäft ist noch einiges drinnen. Israelische, italienische und spanische Orangen müßten mit kaukasischer Ware, wenn das Geschäft einmal läuft, locker zu unterbieten sein. Das Problem ist, daß dort Moslems leben. Mit denen habe ich keinerlei Erfahrung. Andererseits gehört ihnen die Zukunft. Geschäftlich interessant wären auch die Armenier. Aber die sind Christen und haben in dieser Gegend langfristig keine Chance. In Aserbaidschan werden die iranischen Mullahs immer stärker – und denen traue ich nicht. Bleibt mir der kleine Staat Adscharien. Von dort habe ich bislang acht Lastwagenzüge geholt. Alles erstklassige Ware. Vor allem die Feigen begeistern mich. Besser als die türkischen. Aber der neunte Zug ist nicht angekommen. Die Türken sagen, die Lasen oder die
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