Opernball
Kurden hätten ihn abgefangen. Ich glaube es nicht. Alles deutet darauf hin, daß die Türken selbst das Geschäft unterbinden wollen. Sie sind bei der Aufklärung nicht gerade kooperativ. Mir tut vor allem der Fahrer leid. Er hat Familie. Ist seit drei Monaten samt seinem Lastwagenzug spurlos verschwunden. Ich habe jetzt einen Privatdetektiv angesetzt. Der Lastwagenzug, so viel weiß ich schon, hat Batumi vollbeladen Richtung Türkei verlassen.«
»Hast Du die Geschäfte abgebrochen?«
»Was blieb mir anderes übrig? Aber ich gebe nicht auf. Neulich habe ich Inguschien besucht. Das ist ein kleines Land, eingeklemmt zwischen Nordossetien und Tschetschenien. Die Reise war beschwerlich. Kein Reisebüro in Wien kann dir sagen, wie du dorthin kommst. In Inguschien gibt es 150 000 Einwohner und zwei Industriebetriebe. Das ganze Land wartet darauf, mir Obst und Gemüse zu liefern. Ich weiß bloß noch nicht, ob ich den Transport bewältige. Da er wegen der schlechten Straßen über den Großen Kaukasus durch Georgien nicht möglich ist, bleibt nur Rußland. Aber die Russen sind auf die Inguschen nicht gut zu sprechen. Was mich nicht wundert. Ganz Inguschien ist bewaffnet. In der Hauptstadt Nasran gibt es neben der Autobahn einen Waffenbasar, wo du alles kaufen kannst, was dein Herz begehrt, von der Pistole bis zum Kampfhubschrauber. Wenn man sich dort für einen Spottpreis ein paar Kalaschnikovs kauft, ist das ein Gastgeschenk, das jeden Bürgermeister überzeugt. Eine Stunde später stehen schon die Kleinbauern mit ihren Waren vor der Tür. Da ist einiges drin. Inguschien ist ein Staat, den wirtschaftlich keiner haben will. Also nehme ich ihn. Die bauen genau das an, was ich brauche, und können sich, wenn sie dann endlich zu Geld kommen, um ihre Waffen auch noch Häuser drum herum bauen.«
Jan Friedl erklärte den alten Dolezals, daß ihm am liebsten Witze ohne Pointe seien. Die Frau wollte einen Witz ohne Pointe hören. Jan Friedl sagte: »Auf einem Baum ein Kuckuck saß. Es regnete, und die Büchse des Jägers wurde naß.«
»Der hat doch eine Pointe«, sagte Frau Dolezal.
Jan antwortete: »Aber man weiß nicht recht, was sie bedeuten soll.«
Die alte Dolezal wollte die Pointe kennen: »Mit einem nassen Gewehr kann man nicht schießen.«
»Dann fänden bei Regen keine Kriege statt«, erklärte Jan Friedl. »Vielleicht liegt die Pointe in der Umstellung des Gewohnten, wie bei einem Schüttelreim.«
Sie begannen Schüttelreime aufzusagen. Jan Friedl war zu neuem Leben erwacht. Ich sah, daß es schon bald zwölf war, und mußte mich verabschieden.
»Dann versäumst Du ja die Mitternachtsüberraschung«, sagte Monika.
»Leider. Spätestens um eins bin ich zurück.«
Als ich hinausging, sagte sie noch: »Unser Gast wird dann auch schon dasein. Du versprichst uns, Deine Diva vorzustellen.«
Im Korridor stieß ich auf die Kaiser-Dynastie. Sie waren mit zwei Prinzessinnen offenbar auf dem Weg in die Philharmoniker-Bar. Wie an unsichtbaren Schnürchen gezogen, stellten sich die Menschen zu einem Spalier auf, verbeugten sich zu den Vorbeigehenden und sagten: »Kaiserliche Hoheit.«
Der Ingenieur
Achtes Band
Auf unserer Baustelle gab es neue Konflikte mit Ausländern. Der Polier warf ihnen alles nach, was er in die Hand bekam. Er schien seinen Vorsatz, sich unauffällig zu verhalten, völlig vergessen zu haben. In der Nacht fragte ich den Geringsten, was wir tun sollten. Er antwortete: »Man kann einen Ameisenhaufen nicht ausrotten, indem man jede einzelne Ameise mit der Stecknadel aufspießt. Harmagedon hat mit solchen Raufereien nichts zu tun. Harmagedon steht höher.«
Ich gab mir am nächsten Tag Mühe, dem Polier klarzumachen, wie unwichtig solche Konflikte sind. Reiner Kräfteverschleiß. Wenn Harmagedon gelingt, werden sie sich von selbst erledigen.
Ach ja, von der Bestrafung Feilböcks wollte ich erzählen. Kennen Sie die Jubiläumswarte? Jeder kennt die Jubiläumswarte. Sie ist ein beliebtes Ausflugsziel oberhalb von Ottakring, am Rande des Wienerwalds. Am Sonntagnachmittag steigen sich dort die Wanderer gegenseitig auf die Zehen, aber am Abend ist der Parkplatz leer und das Ausflugsrestaurant geschlossen. Ungefähr eine halbe Stunde Fußmarsch von der Jubiläumswarte entfernt, hatte ich, weit abseits des Wanderwegs, eine durch Kahlschlag entstandene Lichtung ausfindig gemacht, die sich wegen der vielen Baumstümpfe für eine Kommunion gut eignete. Wir konnten nicht in einem so regelmäßigen
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