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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Gürtelhausbrand fand die Staatspolizei in Rappottenstein auch ein paar Nazi-Flugblätter. Die stammten aber nicht von uns. Wir haben nie Flugblätter gedruckt. Feilböck wollte das. Er sagte: »Wozu haben wir einen Drucker in unseren Reihen?«
    Aber der Geringste war dagegen. Und Druckeberger meinte: »Brauchte man zum Drucken Drucker, wäre ich nicht arbeitslos.«
    Feilböck wollte die Menschen überzeugen. Er fuhr hin und wieder auch wochentags nach Rappottenstein. Er kannte alle Wirtshäuser in der Umgebung. Selbst beim Sonnwendfeuer redete er auf die Bauernburschen ein. Als er uns wieder einmal vorschwärmte, wie man die Bewegung der Volkstreuen – der Name stammte übrigens von ihm – ausbauen könnte zu einer Volksbewegung, sagte der Geringste: »Worte überzeugen niemanden mehr, nur noch Taten.«
    Feilböck war, bis zu seinem Verrat, ein guter Kamerad. Er hat immer zur Gruppe gehalten. Aber eigentlich hat er von seiner Mentalität her mehr zu den Nazigruppen gehört als zu uns. Wir waren keine Nazigruppe, verdammt noch mal. Wollen Sie zuhören oder dreinreden? Ich wäre nie bei einer Nazigruppe geblieben. Feilböck war vierundzwanzig Jahre alt und Student der Wirtschaftsuniversität. Ursprünglich gehörte er dem Studentenverband der Nationalen Partei Jup Bärenthals an. Später bezeichnete er Jup Bärenthal als Schlappschwanz, der für ein paar Wählerstimmen alle Ziele verrate. Bei irgendeiner politischen Veranstaltung hatte er mit dem Geringsten diskutiert. So kamen sie zusammen. Sie waren oft anderer Meinung, weniger im Prinzipiellen, aber in der Taktik. Feilböck war ein Politiker. Aber unser Führer war der Geringste, und dem mußte er sich beugen. Feilböck hatte Kontakte zu Nazigruppen. Einmal schwärmte er vom Gaubeauftragten von Salzburg. Er sagte: »Den müßt ihr unbedingt kennenlernen. Der kann zwanzig Linke innerhalb von achtundvierzig Stunden rechts machen.«
    Der Geringste antwortete: »Achtundvierzig Stunden Zeit haben wir, aber wir haben keine zwanzig Linken. Er soll kommen und zeigen, was er kann.«
    Der Gaubeauftragte kam mit seinem Stellvertreter und brachte jede Menge Propagandamaterial mit. Wahrscheinlich hat er gehofft, wir würden es verbreiten. Es begann schon bei der Begrüßung. Wir kamen ihnen mit Bierflaschen entgegen. Sie streckten den rechten Arm aus und sagten: »Heil Hitler.« Der Geringste drückte ihnen Bierflaschen in die Hände und sagte: »Heil Hitler ist bei uns ein anderer Ausdruck für Prost.«
    Feilböck war das peinlich. Er erklärte, daß wir schon dasselbe meinten, aber halt nicht die Hand ausstreckten.
    Vom High-Tech-Raum waren die beiden Gäste beeindruckt. Allerdings kannten sie Joachim von Fiore nicht. Der Geringste bemerkte dazu: »Ich weiß nicht, auf welchen Traditionen ihr gründet. Wir jedenfalls streben das Dritte Reich an, welches man auch das tausendjährige nennt. Und der Vater dieser Idee heißt Joachim von Fiore.«
    »Aber der hat doch ein Kreuz in der Hand«, sagte der Gaubeauftragte. »Das ist ein Pfaffe.«
    Der Geringste gab sich gutmütig: »Das ist sogar ein Oberpfaffe. Abt eines Klosters in Kalabrien. Und das Kreuz ist kein Hakenkreuz, denn das hat andere Traditionen.«
    Der Gaubeauftragte von Salzburg und sein Stellvertreter nickten. Sie waren wenig überzeugend. Aber sie konnten gut schießen. Auch im Saufen waren sie uns ebenbürtig. Als wir schon alle betrunken waren, schien es, als wäre das Eis gebrochen. Sie erzählten von ihren Treffen in Dänemark, bei denen Führer aller Länder zusammenkamen. Sie waren beeindruckt von unserem Professor, der ihnen seine Networkkontakte nach Amerika schilderte. Auch sie arbeiteten mit Computer, aber ihr System war lange nicht so ausgefeilt wie das unsere. Sie erzählten von Geldgebern aus Frankreich, Spanien, Deutschland und Österreich. Wahrscheinlich wollten sie uns entlocken, woher wir das alles hatten. Der Lange sagte: »Wir zahlen alles selbst.« Er fing dabei so anhaltend zu lachen an, daß Feilböck sich bemüßigt fühlte, die Erbschaftssache des Geringsten zu erklären.
    Im Laufe des Abends kamen sie auf Konzentrationslager zu sprechen. Sie setzten als selbstverständlich voraus, daß es keine Vergasungen von Juden gegeben habe. Daraufhin stand der Geringste auf und sagte: »Ihr seid primitive Trottel. Mit euch will ich nichts zu tun haben.«
    Er stand auf und ging in seine Kammer. Das war der Raum mit den Stadtbahnfenstern. Feilböck versuchte noch zu beschwichtigen. Aber er sorgte dafür,

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