Opernball
Prozeßgeschichte gegen die Baseballschlägerbande. Von den Chaoten gab es massenweise Anzeigen. Das hat der Thomas Prader organisiert, der Sohn eines ehemaligen Ministers, ein notorischer Chaoten- und Ausländeranwalt. Der Prader hat uns, solange ich den Namen kenne, nur Schwierigkeiten gemacht. Jetzt hat ihm die Anwaltskammer endlich das Handwerk gelegt. Er ist gesperrt. Aber damals hat er alle verrückt gemacht mit seinen Anzeigen. Es gab kaum Beweismittel. Ein paar Fotos von Journalisten. Die meisten Anzeigen waren gegen unbekannt. Es gab ein Fernschreiben direkt aus dem Ministerbüro, in dem von Hinweisen die Rede war, daß es in der Karlsplatz-Passage gelegentlich zu Treffen von Mitgliedern der Baseballschlägerbande komme. Wir sollten das überprüfen. Am Schluß des Fernschreibens standen die Worte: »Gegebenenfalls sofort in Untersuchungshaft nehmen.«
Als ich dann mit meinem einführenden Kollegen unterwegs war, fragte ich ihn, wie wir nun vorgehen sollten.
»Gegen wen vorgehen?« fragte er zurück.
»Gegen die Baseballschlägerbande. Hast Du das Fernschreiben nicht gelesen?«
»So weit kommt es noch«, fuhr er mich an, »daß wir die Leute verhaften, die uns zu Hilfe kommen. Wenn ich einen von ihnen zufällig kennenlerne, werde ich ihm zuerst die Hand schütteln und mich bei ihm bedanken. Dann werde ich ihm raten, sich mit seinen Freunden an einem anderen Ort zu treffen, da ich nicht für alle meine Kollegen garantieren kann.«
Mit meinem Einführenden habe ich es gut getroffen. Wenn er sich zwischen den Oberen und den Kollegen zu entscheiden hatte, entschied er sich immer für uns. Aber man mußte mit Äußerungen vorsichtig sein, weil es immer wieder welche gab, die nur an sich selbst dachten und für die eigene Karriere bereit waren, Kollegen zu verraten. Charakterschweine.
Mir ist aufgefallen, daß diese Verräter entweder ganz jung oder so um die fünfzig Jahre alt sind. Unter den ganz Jungen gibt es immer wieder welche, die würden die eigene Großmutter verkaufen, wenn sie dafür einen Stern auf den Revers kriegen. Solchen Ehrgeizlingen kann man nur aus dem Weg gehen, sobald man sie erkannt hat. Unter den Fünfzigjährigen gibt es welche, die darüber verzweifeln, daß sie in der Karriere von anderen überholt werden, und die das wettmachen wollen. Um die fünfzig herum kann man sich um die Leitung eines Postens bewerben. Man braucht dazu das richtige Parteibuch, die Unterstützung der Personalvertretung und Protektion von oben. Um letztere zu bekommen, führen sich manche Kollegen plötzlich auf wie Musterschüler, die in der Pause der Lehrerin erzählen, wer bei der Klassenarbeit abgeschrieben hat. Mein einführender Kollege gehörte nicht zu denen. Er hat immer zu uns gehalten – und hat letztlich auch seinen Posten gekriegt. Zwar nur in Meidling. Aber Meidling hat wenigstens keinen Karlsplatz.
Dann gab es zwei Opernbälle, da hatten wir alles im Griff. Beim ersten war nur noch ein kleiner Haufen von Chaoten gekommen. Wir hingegen waren dreitausend. Als die anfangen wollten zu randalieren, sind wir gleich mit ihnen abgefahren. Die Opernballgäste haben das nicht einmal bemerkt. Das war zwei Jahre vor der Katastrophe.
Im folgenden Jahr wurde die Demonstration zuerst angemeldet, dann aber abgesagt. Statt dessen hat es einen Hinweis auf einen geplanten Anschlag gegeben. Man wollte die Gäste nicht verunsichern, und so hat man der Öffentlichkeit nichts mitgeteilt. Nicht einmal wir Polizisten haben es gewußt. Obgleich wir es natürlich geahnt haben, weil die Umbauarbeiten von der Polizei überwacht wurden und fast die gesamte Alarmabteilung in Zivil auf den Ball geschickt wurde. Dann war aber nichts. Der Fehlalarm hing mit dem Fingerlosen zusammen. Wir haben damals davon keine Ahnung gehabt. Man muß sich das vorstellen, erst ein Jahr später, am Abend des Opernballs, der zur Katastrophe führte, sind sie damit herausgerückt. Das war nach der Patrouille, da hatten wir die drei Kojoten schon abgeliefert. Soll ich das jetzt überspringen? Also der Reihe nach. Damit Sie sich ein Bild machen können, mit welchem Dreck wir es täglich zu tun hatten.
Wir waren also an diesem Opernballtag zu Mittag auf Patrouille in der Karlsplatz-Passage und kamen zum Zeitungsstand. Wir schauten und lasen und redeten und gingen herum, da stießen wir auf die drei Kojoten, zwei Männer, eine Frau. Wir kannten sie, die wohnten gleichsam am Karlsplatz, wenn sie nicht gerade in der Zelle saßen, alte Freunde
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