Opernball
vereinzelt Granitblöcke lagen. Es gab noch ein kleineres hinteres Tor. Es führte auf eine Wiese mit Obstbäumen, an die nach etwa zweihundert Metern ein Wald grenzte. Die Wiese und ein kleines Stück Wald gehörten zum Hof. Ebenso ein ungemähter schmaler Streifen rund um das Gebäude. Der Polier führte mich herum. Er sagte: »Wer die Wiese mähen und das Obst ernten darf, wird beim Sonnwendfeuer entschieden. Da versammeln sich die Bauern der Umgebung. Wer als erster über das Feuer springt, erhält für dieses Jahr das Nutzungsrecht. Einer, der Schorschi aus Roiten, ist einmal im Brandanzug der Feuerwehr gekommen. Da haben die anderen protestiert. Um zu beweisen, daß er sich auch so traut, hat er den Overall abgelegt und ist als erster mit Unterwäsche und Schuhen durch das noch ziemlich hoch brennende Feuer gesprungen. Er hat ein paar Brandwunden davongetragen und sich die Haare versengt. Aber er war der Held des Abends.«
Ich fragte ihn, ob der Gewinner für das Nutzungsrecht eine Gegenleistung erbringe.
»Er wird bei der Siegerehrung mit Bierflaschen aufgewogen, die er bezahlen muß«, sagte der Polier. »Die Bierflaschen gehören dann uns. Deshalb springen vor allem die jungen Burschen, weil die weniger wiegen. Aber über hundert Flaschen sind bisher immer rausgekommen.«
Das reichte für zwei Wochenenden, wie ich bald erfahren sollte. Unsere Hauptbeschäftigung in Rappottenstein war Biertrinken und Schießen. Am Anfang jedenfalls. Das sollte sich aber bald ändern. Der High-Tech-Raum bekam zusehends größere Bedeutung.
Der Polier brachte im Kofferraum immer eine Kiste Munition mit. Sie wurde von seinem Onkel besorgt, der einen Waffenschein besaß und selbst ein begeisterter Sportschütze war. Der Schießkeller bestand aus einem einzigen langen Tonnengewölbe, das sich unter dem ganzen Wohntrakt des Gutshofes hinzog. Er war gut dreißig Meter lang. An der Wand stand altes Gerümpel, morsche Mostfässer und Bottiche. Einer dieser Bottiche war mit Aluminiumfolie gegen Feuchtigkeit ausgekleidet. Darinnen waren die Waffen versteckt. Es gab nicht viele. Drei Wehrmachtskarabiner, zwei Pistolen, ein Revolver, eine Pistole für Leuchtspurmunition, die wir nie benutzten, das war alles. Nicht einmal ein Maschinengewehr. Munition wurde nie gelagert. Wir schossen jedes Wochenende so lange, bis die Kiste leer war.
Wenn man die steile Steintreppe hinabging und den Keller betrat, sah man zunächst nur Stapel von Bierkisten. Ging man daran vorbei, stand man vor einer Pritsche mit ein paar Decken. Sie markierte den Abschußpunkt. Rechts neben der Pritsche war ein Kanonenofen. Im Keller war es nämlich auch im Sommer ziemlich kalt. Am Ende des Gewölbes war ein riesiger Berg von Glasscherben. Mitten in diesem Scherbenhaufen stand ein aus Latten gebautes Regal mit ein paar Schießscheiben und einer Abstellfläche. Am liebsten schossen wir auf Bierflaschen.
Letztlich war es dieser Keller, der uns zum Verhängnis wurde. Der Polier hat zwar nach dem Gürtelhausbrand alle Waffen zu seinem Onkel gebracht. Aber da lagen noch Berge von Schießscheiben und Glasscherben, und die Wände waren übersät mit Einschußlöchern. Das konnte nicht alles vom Onkel allein stammen.
Die Staatspolizei hat auch Videos beschlagnahmt. Sie stammten von Pandabär. Wir nannten ihn so, weil sein Körper breit gebaut war und er immer so harmlos und lieblich ausschaute, daß man ihn kraulen wollte. Den habe ich erst am zweiten Tag kennengelernt. Er kam mit dem Geringsten, mit Feilböck und mit dem Langen. Der Lange und Pandabär waren alte Freunde. Die kannten einander schon von der Schule. Der Lange, der genau so aussah, wie er genannt wurde, lang und dünn eben, war Kellner in der Mariahilfer Straße. Er hatte einen leidenden Gesichtsausdruck. Man war immer geneigt, ihn zu fragen, was passiert sei oder ob er Schmerzen habe. Nur wenn er getrunken hatte, wurde er fröhlich.
Pandabär arbeitete in einem Schallplattengeschäft, dem auch eine Videoabteilung angeschlossen war. Dort gab es aber kaum etwas, das uns interessierte. Die Todeskralle der Ninja hat er von dort mitgenommen. Und jede Menge CDs. Aber die meisten Videos mußte er bestellen. Immerhin bekam er Prozente. Wir schauten uns vor allem Kampf- und Horrorvideos an. Wir drehten den Ton ganz laut auf und hatten einen Mordsspaß. Hin und wieder sahen wir auch Pornos. Aber nur harte Sachen. Blut mußte schon fließen. Das öde Ficken, Stöhnen und Schlecken war uns zu langweilig.
Nach dem
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