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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Antibiotika und Betäubungsmitteln für das Krankenhaus. Neben meinem Team waren noch Fernsehreporter aus den USA, aus Frankreich und ehemalige Kollegen von der BBC an Bord. Wir flogen auf einer mit der serbischen und bosnischen Regierung vereinbarten Route. Bevor wir zur Landung ansetzten, überquerten wir serbische Artillerie-Stellungen. Mit mulmigem Gefühl schaute ich aus dem Fenster. Ich traute Karadzic alles zu. Auf einem notdürftig geflickten Landestreifen kam die Maschine zum Stehen. Der Rest des Flugfeldes bestand aus Trichtern und Betontrümmern. Der Tower und die Empfangshalle waren zerschossen. Am Rande des Flughafengeländes lagen offene Flugzeugrümpfe und abgerissene Tragflächen. Unsere weiß gestrichene UNO-Maschine war das einzige intakte Flugzeug.
    Die drei Männer von der Delegation stiegen in eine schwarze Limousine, wir Journalisten nahmen auf der offenen Ladefläche eines Lastwagens Platz. Der Stadtrand von Sarajewo glich einem Ruinenfeld. In Häusern, die nicht ganz zerstört waren, lebten noch Menschen. Dann fuhren wir durch ein Viertel, in dem nur wenige Granateneinschläge zu sehen waren. Die Menschen standen auf den Straßen und winkten uns zu. Unser erster Weg führte uns in ein Krankenhaus, dessen obere Stockwerke zerschossen waren. Im Keller wurde im Schein von zwei Fahrradlampen operiert. Von den spärlichen Lichtquellen führten Drähte in den Nebenraum, wo zwei Burschen sich im Treten eines aufgebockten Fahrrades abwechselten. Auf beiden Seiten der hinteren Gabel waren Dynamos montiert.
    Wir filmten alle dasselbe. Zerschossene Häuser, ausgebrannte Fabriken, zerstörte Moscheen. Herumstreunende Hunde, Schweine und Hühner, die in den Ruinen nach Eßbarem suchten. Die Alleebäume waren längst verheizt. Mittlerweile wurden die Wurzeln ausgegraben. Ehemalige Rasenflächen waren kärgliche Gemüsegärten. An den Häusern klebten Zettel mit den Namen der Getöteten. An zwei Stellen in der Stadt gab es Wasser. Die Menschenschlangen reichten um mehrere Häuserblocks. Wir wurden angefleht, der Welt die Wahrheit zu sagen. Frauen zeigten uns Bilder ihrer getöteten Kinder. In den Straßen lagen Schutthaufen. Vereinzelt fuhren noch Autos. Sie waren alle mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. Die Geschäfte waren leer, manche wohl auch geplündert. Aber in unserem Hotel gab es Bier.
    In der Nacht vor unserer Abreise hörten wir Detonationen. Ich lief auf die Straße, aber ich konnte nichts sehen. Am nächsten Morgen erfuhren wir, daß der Flughafen gesperrt sei. Wir müßten warten, bis für unsere Sicherheit garantiert werden könne. Auch am Vormittag gab es vereinzelt Granateneinschläge. Burschen liefen mit Gewehren und Patronengürteln durch die Straßen. Während meine Kollegen mit der Delegation des Roten Kreuzes zum Bürgermeister fuhren und der Welt über CB-Funk von der hoffnungslosen Lage der Stadt berichteten, ging ich mit meinem Team zum Markt, um Alltagseindrücke vom Leben in der belagerten Stadt zu sammeln. Mir war klar, wenn mir nicht im letzten Augenblick noch außergewöhnliche Aufnahmen gelingen, ist der Satellitenkanal dahin. Daß der Flughafen ausgerechnet zu der Zeit beschossen wurde, als wir in Sarajewo waren, war ein gutes Zeichen. Mein Instinkt sagte mir: Wenn ich der Stadt zeigen wollte, wer hier der Herr im Haus ist, ich würde nicht weiter auf ohnedies schon zerstörte Gebäude, sondern in die Menschenmenge am Versorgungsnerv der Stadt schießen. Und wieder hatte ich unwahrscheinliches Glück.
    Ich zoome mir gerade eine alte Frau heran, die ein Häuflein armseliger Karotten vor sich liegen hat. Plötzlich ein Pfeifen und gleich darauf eine Explosion. Wo die Karotten waren, ist nur noch ein Loch in der Erde. Die Frau ist in zwei Teile auseinandergerissen. Der Stand hinter ihr ist eingestürzt. Die Menschen schreien und laufen. Ich hatte das Rennen gewonnen. Als die anderen Kamerateams eintrafen, gab es nur noch Blutflecken und verzweifelte Gesichter zu sehen.
    In der Nacht bombardierten die Amerikaner eine serbische Stellung. Es war nur ein kurzer Einsatz. Wir hörten sechs Bombeneinschläge und Artilleriefeuer. Am nächsten Tag war der Flughafen wieder benutzbar.
    In Belgrad saß ich dann fest. Alle hatten sich ihre Leitungen beim serbischen Fernsehen gesichert, nur ich nicht. Unser Sendewagen stand in Zagreb. Ich hatte nicht bedacht, daß es schwierig werden könnte, dorthin zu gelangen. Die Flugverbindungen waren unterbrochen. Der Pressesprecher der UNO sicherte mir

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