Opfer der Lust
gemahlenem und aufgebrühtem Kaffee essen und dich, mein Schatz, lade ich ein, mir Gesellschaft zu leisten. Nur wir beiden Frauen. Wir müssen miteinander reden.“
Wollte Blanche sich von Mantis trennen? Bethany legte die Keksschachtel auf den Nachttisch und setzte sich auf den Bettrand. „Geht es dir gut? Dad meinte –“
„Dein Vater meint so vieles. Ich bin in Ordnung“, antwortete ihre Mutter und tätschelte ihren Unterarm.
Fest drückte Beth ihre rechte Hand. „Lass dich nicht von ihm unterkriegen.“
„Ganz bestimmt nicht. Ich habe Mantis heute Morgen das erste Mal seit zwanzig Jahren meine Meinung gesagt. Seitdem spricht er nicht mehr mit mir. Aber er kriegt sich schon wieder ein.“ Sie streichelte Bethanys Handrücken und steckte ihre Arme unter die Decke. „Jetzt lass mich bitte schlafen. Ich bin müde, so unendlich müde.“
Bethany küsste sie auf die Wange, bevor sich ihre Mutter wieder auf die Seite drehte, und ging zu ihrem Vater, um das Versöhnungsbier mit ihm zu trinken. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um ein ernstes Wort mit ihm zu sprechen, damit er ihre Mutter besser behandelte. Das musste bis morgen warten.
Für heute Abend hatte sie andere Pläne.
Sie wartete, bis ihr Vater, der fünf der sechs Flaschen Bier trank, das Badezimmer aufsuchen musste, und stahl sein Schlüsselbund aus der Tasche seiner Jacke, die über einem Stuhl in der Essecke hing. Vor dem Morgengrauen würde sie es zurückbringen, er würde den kurzfristigen Verlust gar nicht merken.
Beth nahm Lazy mit, damit er die Nacht in ihrer Wohnung verbrachte und sie später nicht stören würde, wenn sie sich in das Appartement ihrer Eltern stahl. Nun wartete er in ihrer Wohnung darauf, dass sie zurückkehrte, aber das würde noch einige Stunden dauern.
Auf leisen Sohlen verließ sie das Haus. Sie sprintete eine kleine Gasse entlang, die sich zwischen dem Haus ihrer Familie und dem Nachbarhaus befand und zur Fountain Road führte, die parallel zu Seige Road verlief. Dort hatte Beth vorsorglich ihren Wagen abgestellt.
Sie stieg in ihren orangefarbenen Pontiac. Hoffentlich hatten ihre Eltern nicht bemerkt, dass sie zu später Stunde noch wegging. Sie wollte sich keine Lügengeschichten einfallen lassen müssen.
Außerdem befürchtete Beth, dass Kade sie beobachten könnte. Während sie den Firebird startete und in niedrigem Gang aus der Fountain Road fuhr, schaute sie sich immer wieder um, aber niemand folgte ihr.
Die Anwohner schienen alle zu schlafen. Die Straßen in Roxbury waren leer. Nur hin und wieder begegnete Bethany einem anderen Auto. Hier und da riss das Band aus Regenwolken auf und gab den Blick auf vereinzelte Sterne frei.
Sie lenkte ihren Pontiac aus Boston heraus nach Braintree. Im Industriegebiet der Vorstadt befand sich das zweistöckige Gebäude von Maternity Help. Damit der Wachmann sie nicht bemerkte, parkte sie in der Nähe der Kreuzung und lief die Vellum Street entlang, um im Schutz einer Eiche zum Pförtnerhäuschen zu spähen.
Der alte Carl Pickman arbeitete seit beinahe zehn Jahren für Maternity Help und besserte mit dem Job seine Rente auf. Er übernahm freiwillig die Nachtschicht, um die Nachtzulage zu kassieren. Außerdem sagte er, die Stundenuhr würde für ihn ablaufen und er wolle seine Zeit nicht mit Schlafen vergeuden.
Obwohl er an die siebzig Jahre alt war, entging ihm nichts. Er hatte Augen wie ein Adler, hörte einen Wagen kommen, bevor er in die Vellum Street einbog, und trug eine Remington bei sich.
Der Revolver machte ihn gefährlich. Pickman war nicht zu unterschätzen. Wie ein Bullterrier war er bereit, sich auf alles zu stürzen, das ihm suspekt erschien. Für seinen Einsatz steckte ihm Mantis gerne mal ein paar Dollar extra zu.
Bethany verdrängte den Gedanken an die Pistole. Ihr Magen rebellierte vor Aufregung, als sie beobachtete, wie Pickman die Pförtnerloge abschloss, um sich auf seinen Rundgang zu machen, und sie wünschte, sie hätte das Bier nicht getrunken.
Er kam auf den kleinen Parkplatz vor dem Gebäude, auf dem gerade mal vier Fahrzeuge abgestellt werden konnten, und reckte sich. Sein Blick ging zu den Wolken, hinter denen dann und wann die Halbmondsichel hervorlugte.
Beth kauerte nur wenige Schritte von ihm entfernt. Sie konnte das Gürtelholster sehen, weil sich seine Uniformjacke durch das Strecken seiner Arme gehoben hatte. Die Uniform hatte Mantis ihm zu seinem 5-jährigen Jubiläum gekauft und Carl war so stolz auf sie, dass er seitdem nichts
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