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Opfer der Lust

Opfer der Lust

Titel: Opfer der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henka Sandra
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Sie öffnete die Tür im Erdgeschoss, schlüpfte hindurch und schob sie sofort wieder hinter sich zu. Hatte eben noch das Licht von Pickmans Loge durch die Glastür das Treppenhaus erhellt, so stand Beth nun im Dunkeln.
    Sie schaltete ihre MiniMaglite an und leuchtete auf den Linoleumboden. Alle Türen standen offen, aber als sie den Gang entlangschritt, sah sie, dass die Jalousien heruntergelassen waren.
    „Alle Büros sehen unbenutzt aus“, sprach sie zu sich selbst. Sie sah weder Computer noch Akten oder Schreibmaterial.
    Verwundert schritt sie weiter und kam zu einer Art Lager, in der Pillendosen palettenweise gestapelt waren. In der Mitte stand ein massiger Tisch, unter ihm entdeckte Beth Verpackungsmaterial. Sie vermutete, dass hier die Folsäuretabletten verpackt und verschickt wurden. Als sie die Wand ableuchtete, erkannte sie eine Jalousie, die von der Decke bis zum Boden reichte. Dahinter musste sich die Anlieferung befinden.
    Aber was war mit anderen Darreichungsformen, beispielsweise Folsäurezusatz im Essen und wässriger Lösung für Injektionen? Bethany sah ausnahmslos Pillendöschen.
    Im Erdgeschoss befand sich auch nicht das Labor, das Daryl erwähnt hatte. Vielleicht würde sie es im ersten Stock finden, denn einen Keller besaß das Gebäude nicht.
    Bethany lief auf leisen Sohlen durch den Flur zurück zur Eingangstür, immer bemüht, den Lichtstrahl ihrer Maglite von den Fenstern fernzuhalten. Es konnte durchaus möglich sein, dass das Licht durch Ritzen in den Jalousien nach außen drang.
    Als sie ins Obergeschoss hastete, schaltete sie ihre Lampe aus und nahm zwei Treppenstufen auf einmal. Erst in den oberen Büroräumen brauchte sie ihr Licht wieder, denn wie in der unteren Etage war es auch hier stockfinster.
    Endlich fand sie Büros, die tatsächlich genutzt wurden, und spürte eine gewisse Erleichterung. Aber das Gebäude schien nicht ausgelastet zu sein, es gab genügend Raum für betriebliches Wachstum. Weshalb machte Maternity Help dann keine Internetwerbung? Wollte ihr Vater nicht mehr Gewinn erzielen? Er dachte doch daheim sehr wirtschaftlich. Bethany konnte sich nicht vorstellen, dass er als Firmenchef versagte.
    Ein Labor entdeckte sie jedoch nicht. Wollte Daryl sie nur ködern, damit sie ihn heiratete? Was hätte er gemacht, wenn sie auf sein Angebot eingegangen wäre? Sie traute ihm zu, dass er ein Labor einrichtete, nur damit sie in seiner Nähe war und er sie im Auge behalten konnte, wenn sie schon nicht sein Heimchen am Herd werden wollte.
    Welch eine Horrorvorstellung!
    Beth betrat das Büro am Ende des Gangs. Es war nur das Vorzimmer eines weiteren, größeren Büros.
    Sie ging an einer offen stehenden Tür vorbei und leuchtete im Vorübergehen hinein. In dem fensterlosen Kämmerchen standen nur ein Kopierer und Büromaterial, nichts Aufregendes, daher schenkte sie dem kleinen Lager keine Beachtung und schritt geradewegs in den zweiten Raum.
    Auf dem großen Eichentisch bemerkte sie einen Bilderrahmen aus schwarz glänzendem Metall. Sie drehte ihn um. Es handelte sich um die gleiche Fotografie, die seit der Trennung von Daryl in der untersten Schublade ihres Wohnzimmerschranks lag. Das an Weihnachten gemachte Foto von Blanche, Bethany, Daryl und Mantis.
    „Vor fünfeinhalb Monaten war die Welt noch in Ordnung“, sagte Beth zu sich selbst und korrigierte sich zähneknirschend: „Nein, schon damals lag einiges im Argen. Ich wusste nur nichts davon.“
    Sie vermutete, dass dies das Büro ihres Vaters und nicht Daryls war, weil Daryl das Erinnerungsfoto bestimmt nicht mehr auf seinem Schreibtisch stehen hatte.
    Zielstrebig ging Beth zum Aktenschrank, öffnete die oberste Schublade und leuchtete hinein. Sie nahm einige Unterlagen heraus, fand aber nur Rechnungen über den Verkauf kleinerer Mengen Folsäuretabletten.
    Dann nahm sie sich den Schreibtisch vor. Sie durchforstete den Schriftverkehr und fand sogar einige Verträge, die von Mantis Hart unterschrieben waren. Er hatte Anteile an einem pharmazeutischen Betrieb in La Crosse, Wisconsin, gekauft. Dafür belieferten sie ihn mit Folsäurepillen und druckten sogar den Namen Maternity Help auf die Verpackung.
    „Maternity Help ist trotz der Anteile nicht viel mehr als ein Distributor“, murmelte sie. „Und nicht einmal ein guter, weil sie sich nicht um den Vertrieb kümmern.“
    Wo verbrachte ihr Vater seine Zeit, wenn er behauptete, Zusatzschichten machen zu müssen? In diesem Gebäude bestimmt nicht.
    Hier gab es nicht viel

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