Opfer der Lust
ersten Lebensjahre verbracht hatte. Sie konnte sich nicht an viel erinnern, aber die wenigen Erinnerungen, die sie an die Zeit im ‚Garden State‘ hatte, leuchteten vor Harmonie und Liebe.
Seit sie jedoch nach Boston gezogen waren und Beth ihren eigenen Kopf entwickelt hatte, war das Verhältnis zu ihren Eltern schwieriger geworden.
Sie blieb vor dem Regal mit den Konfitüren stehen und knabberte an ihrer Unterlippe. Welche Sorte sollten sie nehmen? Auf jeden Fall eine mit dem Aufdruck ‚Home made‘, so viel war klar. Als sie die Cranberry-Marmelade entdeckte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen und sie wusste im selben Augenblick, dass sie ihre Wahl getroffen hatte.
Sie streckte ihren Arm aus, um die Konfitüre aus dem Regal zu nehmen, als ein Mann ihr genau dieses Glas vor den Augen wegschnappte.
Fassungslos schaute sie ihn an. Das konnte nicht wahr sein! Es standen noch fünf weitere Gläser in Zweierreihen im Regal. „Von dem Spruch Ladies first haben Sie anscheinend noch nie etwas gehört, oder?“
Er lächelte sie unverschämt verführerisch mit strahlend weißen Zähnen an und stellte die Cranberry-Marmelade in Beths Einkaufswagen. „Bei mir kommt die Frau immer als Erste.“
Bethany meinte sich verhört zu haben. Hätte er gesagt: „Bei mir kommt die Frau immer an erster Stelle“, wäre sie vermutlich nicht stutzig geworden. Oder interpretierte sie eine Doppeldeutigkeit in seinen Satz hinein, die gar nicht von ihm beabsichtigt gewesen war? War sein frivoles Grinsen der Auslöser? Oder seine Attraktivität?
Einen Moment lang verlor sie sich in seinen Augen, die schwarz waren wie ein tiefer Brunnen, dessen Grund im Dunkel verborgen lag. Sein braunes Haar glänzte, einige Strähnen seines Kurzhaarschnittes waren mit Gel gezupft worden und sein Teint besaß eine leichte Bräune, wie Bethany es von Latinos kannte.
Ob der Fremde hispanischer Herkunft war? Er sah so aus und auch wieder nicht, irgendwie seltsam.
Während Bethany beim Betreten des Wal-Marts lediglich ihren bunt gestreiften Strickschal gelockert, aber ihren Steppmantel zugeknöpft gelassen hatte, trug der Fremde trotz Märzkälte nur einen leichten Pullover mit Rollkragen, der durch seine beige Farbe den braunen Teint des Mannes unterstrich. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig.
Der Bund seines Pullovers schmiegte sich eng an seine Hüften und seine schwarze Jeans wölbte sich über dem Schritt. Offensichtlich war die Hose gut ausgefüllt.
Beschämt über ihre lüsternen Gedanken schaute Beth auf seine Lederboots und schließlich auf das Marmeladenglas in ihrem Einkaufswagen. Alles, was sie herausbrachte, war: „Danke“
„Immer wieder gerne“, sprach er mit sanfter Stimme und schlängelte sich eng an ihrem Körper vorbei, als wäre der Gang nicht breit genug für sie beide, dabei hätten gut vier Personen nebeneinandergepasst.
Er riecht gut, stellte sie fest. Sein herbes Aftershave mischte sich mit dem männlichen Eigenduft seines Körpers. Bethany atmete das Odeur tief ein und sah ihm nach.
Sie ertappte sich dabei, dass sie sich wünschte, der Mann würde über die Schulter zurückblicken, um zu prüfen, ob sie ihm hinterherstarrte, aber das tat er nicht. Er bog nach links und verschwand aus ihrem Sichtfeld.
Bethany folgte ihm. Nicht absichtlich – zumindest redete sie sich das ein –, sondern weil die Erdnussbutter im Regal um die Ecke zu finden war. Betont lässig schlenderte sie aus dem Gang mit der Konfitüre heraus und stand direkt vor dem Obst- und Gemüsetisch, der sich mit einer langen Kühltheke den Raum vor der Wurst- und Käseausgabe teilte.
Sie tat so, als würde sie das Gemüse inspizieren, weil sie meinte, den Fremden im Augenwinkel zu sehen und nicht den Anschein erwecken wollte, als würde sie ihm hinterherlaufen. Vielleicht beobachtete er sie sogar, und sie wollte vermeiden, dass er bemerkte, wie durcheinander er sie gebracht hatte. Hatte er das?
Ja, hat er, gab sie zerknirscht zu, weil sie schon lange nicht mehr mit solch einer Begierde angeschaut worden war. Daryl war nett zu ihr, keine Frage, schon allein wegen Mantis, aber sie waren schon zu lange ein Paar und das Feuer der Leidenschaft züngelte nur noch träge vor sich hin.
Vielleicht sollte ich es wieder anheizen, grübelte Beth, nahm gedankenversunken eine Schlangengurke in die Hand und ertastete ihre Größe. Früher wäre sie so verrückt gewesen und hätte ihren Liebhaber mit diesem natürlichen Spielzeug überrascht, aber Daryl hasste
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