Opfer der Lust
Möglichkeit offenzuhalten, falls es Ärger mit ihr gab?
Oder war es nur wieder einmal eine Chance, die sich Kade zufällig bot und die er nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte, um an ein Schäferstündchen zu kommen – so wie bei ihr und dem Überwachungsvideo, das ihm vermutlich durch einen Zufall in die Hände gefallen war?
Bethany lag stundenlang wach, erst weit nach Mitternacht schlief sie endlich ein.
Am liebsten wäre sie Kade am nächsten Morgen erneut gefolgt, doch sie musste an einigen Vorlesungen teilnehmen, die sie keinesfalls schwänzen durfte.
Erst am späten Nachmittag fand sie Zeit, weitere Nachforschungen in Beacon Hill anzustellen.
Sie verdrängte den quälenden Gedanken, dass sich Kade vielleicht entgegen den Angaben auf dem Notizzettel bereits am Vormittag mit dieser Kellnerin getroffen hatte. Nach dem Aufstehen war sie recht kühl zu ihm gewesen. Nun fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie ihn mit Zuwendung überschüttet hätte, damit er erst gar nicht den Wunsch verspürte, das Hotel aufzusuchen.
Ihre Nervosität stieg mit jeder Straßenecke, die Bethany dem Café näher kam. Sie fürchtete die Konfrontation, aber sie musste die Kellnerin einfach zur Rede stellen.
Beschämt stellte sie fest, dass sie sich wie eine krankhaft eifersüchtige Ehefrau aufführte, dabei wusste sie nicht einmal mit Sicherheit, ob sie und Kade überhaupt ein Paar waren.
Konnte man eine ernsthafte Beziehung führen, wenn man rein gar nichts über die Identität des Partners wusste? Sie hatten im Grunde nur ein wenig Spaß miteinander gehabt, hatten Restaurants oder Attraktionen wie das New England Aquarium und den Franklin Zoo besucht und lustvolle Stunden miteinander verbracht.
Aber das reichte Bethany nicht mehr. Sie wollte mehr von Kade.
Sie musste an Sadie Catlaw denken. Ob Aarons Ehefrau ihm doch zum Highland Park gefolgt war und gesehen hatte, wie er mit ihr, Beth, geschlafen hatte? Möglicherweise war Kade doch ein von Sadie engagierter Detektiv, der sich in Bethany verliebt und deshalb den Auftrag, den Sadie ihm erteilte, erst einmal auf Eis gelegt hatte.
Bevor Beth es sich anders überlegen konnte, parkte sie in der Nähe des Louisburg-Square-Parks, stieg aus und lief die zwei Straßen zum Café, als würde es in Strömen gießen und sie hätte keinen Regenschirm dabei, dabei zeigte sich der Himmel strahlend blau und wolkenfrei.
Es saß nur eine ältere Dame im Kassandra‘s Kitchen, die Beth beim Eintreten freundlich zulächelte, bevor sie sich wieder in ihr Buch, einen dicken Wälzer mit bonbonfarbenem Einband, vertiefte.
Der bärtige Mann, den Beth schon am Vorabend hinter der Theke hatte stehen sehen, kam auf sie zu. „Suchen Sie sich einen Platz aus. Wir werden heute nicht gerade überrannt.“ Er lachte warm.
„Eigentlich suche ich nur jemanden“, begann Beth zaghaft.
Hinter dem Tresen gab es eine Durchreiche und Beth erspähte dahinter einen Gasherd. Sie versuchte einen genaueren Blick in die Küche zu werfen, weil sie vermutete, dass sich die Blondine dort aufhielt.
Der Mann strich mehrmals über die blütenweiße Schürze, die sich über seinen Bauch spannte. „Wir haben nur diesen einen Gast und die Dame scheint es nicht zu sein, nach der Sie Ausschau halten.“
Beth schüttelte den Kopf. „Ist Ihre Frau da?“
„Wer?“
„Kassandra.“
Der Mann lachte erneut, diesmal lauter, und schlug sich mehrfach auf den Wanst. „Kindchen, es gibt keine Kassandra.“
Beth meinte sich verhört zu haben. „Aber der Name des Cafés …“
„Ich bin Konditor und hatte immer den Traum, ein eigenes Café zu besitzen, in dem ich meine Kuchen, Eclairs, Donuts, mein Gebäck und andere süße Kreationen anbiete. Aber wer würde schon zu einem Mann kommen, um Kuchen zu essen?“ Nachdenklich kraulte er seinen Bart. „Deshalb habe ich Kassandra erfunden.“
„Erfunden?“, echote Beth.
Er nickte. „Wissen Sie, am Anfang war ich idealistisch und euphorisch. Mein Café nannte ich deshalb ‚Alfies Cakes & Cookies‘, aber die Gäste blieben aus. Seitdem ich den Namen geändert habe, verdiene ich ganz gut, besonders an den Ausflüglern, die am Wochenende im Louisburg-Square-Park spazieren gehen. In der Woche ist es natürlich ruhiger.“
„Aber man denkt sich doch keine Person aus.“
„Es gab nur die Möglichkeit, den Laden dichtzumachen oder den Namen zu ändern. Da ich nie vorschnell aufgebe, habe ich die gute Kassandra eben erfunden.“ Alfie zuckte mit den
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