Opfer der Lust
dauerte nicht lange und Kade atmete ruhiger. Beth vermutete, dass er bereits eingeschlafen war.
Doch als sie sich aus seiner Umarmung schälte, um aufzustehen, murmelte er: „Wohin gehst du?“ Seine Augen blieben geschlossen.
„Frauenblase.“ Sie küsste ihn auf die Wange und stand auf.
Zuerst ging sie ins Bad, schaltete das Licht an und zog die Tür bis auf einen schmalen Spalt von außen zu, damit sie im Wohnzimmer sehen konnte. Kades Cordjacke lag auf der Rückenlehne der Couch.
Beth schlich auf leisen Sohlen zum Sofa und durchsuchte seine Jackentaschen. Sie fand das Schlüsselbund, an dem die beiden Kopien hingen, und den Autoschlüssel der Mietwagenfirma National. Beides steckte sie, so langsam und vorsichtig wie möglich, zurück in die Taschen.
Sie lugte ins Schlafzimmer, aber Kade rührte sich nicht.
Enttäuscht stellte sie fest, dass er weder seinen Personalausweis noch seinen Führerschein bei sich trug.
Als sie in die linke Tasche griff, pochte ihr Herz aufgeregt. Sie ertastete keinen Zettel, sondern eine kleine Schachtel. Unruhig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und zog ihre Hand heraus. Irritiert schaute sie auf die Packung, die sie nun ins Licht der Badlampe hielt.
Im ersten Moment glaubte sie, es würde sich um Tabletten handeln, aber dann las sie, was in blauer Schrift auf weißem Untergrund geschrieben stand: Nike‘s MaxSight Sport-Tinted Contact Lenses.
Gefärbte Kontaktlinsen? Irritiert runzelte Beth die Stirn und drehte die Schachtel um. Auf der Rückseite war ein Auge mit dunkelbrauner Iris aufgedruckt. Dieser außergewöhnliche, fast schwarze Braunton war identisch mit Kades Augenfarbe.
Welcher Mann benutzte gefärbte Kontaktlinsen? Ein Model vielleicht, aber kein kerniger Mann wie Kade. Nein, sie konnte sich keinen Grund vorstellen, weshalb er das tun sollte. Er achtete auf sein Äußeres, war aber keineswegs eitel.
Sie sah, dass es sich um Monatslinsen handelte. Beth grübelte. Konnte es sein, dass Kade vor einem Monat in ihr Leben getreten war? Das mochte bis auf ein paar Tage hinkommen.
Hatte er die Linsen der Kellnerin abgekauft? Nein, das war unmöglich. Welche Kellnerin verkaufte schon Kontaktlinsen?
Das war alles zu verwirrend. Beth konnte sich die Zusammenhänge nicht erklären.
Zumindest hatte sie keine Telefonnummer gefunden, deshalb spürte sie eine gewisse Erleichterung.
„Wo bleibst du?“, hörte sie Kade rufen.
Beth schrak zusammen. Die Packung fiel ihr aus der Hand. „Komme gleich.“
„Ich vermisse dich und kann ohne dich nicht einschlafen.“
Hatte er längst mitbekommen, dass sie seine Jacke durchsuchte? War er nur nicht aufgestanden, weil er wusste, sie würde ohnehin keine Hinweise auf seine Identität finden?
Rasch bückte sie sich und hob die Schachtel auf. Beth öffnete sie, um einen kurzen Blick hineinzuwerfen, und zog nicht nur die Kontaktlinsen, sondern auch ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus.
Beth war so perplex, dass sie es eine Weile einfach nur anstarrte. Es fühlte sich in ihrer Handfläche wie glühende Lava an.
Also hatte die Kellnerin oder Besitzerin, wer auch immer die fremde Schönheit war, Kade doch ihre Telefonnummer gegeben. Vermutlich hatte er im Auto den Zettel in seine Kontaktlinsenschachtel gelegt, damit Beth ihn nicht fand, sollte sie seine Taschen durchsuchen.
Nein, nein, das war unlogisch. Er hätte die Packung samt Zettel im Wagen lassen können.
Bethany war schwindelig vor Kopfzerbrechen. Sie stand auf und setzte sich auf die Rückenlehne des Sofas. Leise faltete sie das Blatt auseinander und las stumm:
Sheraton 948, morgen ab 3 pm.
Eine Verabredung. In einem Hotel. Das war ja weitaus schlimmer als eine Telefonnummer.
Aber Kade wird nicht hingehen, redete sie sich ein, doch eine innere Stimme schalt sie eine Närrin, denn wenn er nicht vorhatte, das Date wahrzunehmen, hätte er den Zettel sofort weggeworfen.
Ihr war auf einmal speiübel. Sie faltete das Blättchen wieder zusammen, steckte es zu den Kontaktlinsen in die Schachtel und schob die Packung zurück in Kades Jackentasche.
Sie schlich ins Badezimmer und hielt ihren Kopf über die Toilettenschüssel. Doch sie musste sich nicht übergeben. Nachdem sie die Spülung betätigt und sich kühles Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, kehrte sie ins Bett zurück.
Als Kade seinen Arm um sie legte, blieb sie stocksteif liegen. Warum war er bei ihr und nicht bei dieser Kellnerin? Hatte er die Notiz nicht entsorgt, um sich die
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