Opfer (German Edition)
Ihre Augen waren immer noch auf seinen Schritt geheftet. Sie schienen sich dort einfach nicht lösen zu können. Mit einer ruckartigen Bewegung hob sie dann aber doch den Kopf und sagte: »Wa…? Was?«
»Ich habe dich nur gefragt, ob du jetzt glücklich bist.«
»Och … mehr oder weniger ja«, antwortete sie mit einem Achselzucken und einem theatralischem Zurückwerfen des Kopfes.
Er räusperte sich, während er sich fragte, ob das »Wir-sind-noch-immer-gute-Freunde«-Spiel jetzt wirklich beginnen würde, ob er in etwas hineingeraten war, das mehr war, als er erwartet hatte, ob er es auch wollte (was für einen Arsch sie hatte, was für eine Möse, was für einen Körper, was für einen Mund!), ob … Wollte er es? Was sollte er jetzt sagen? Und tun?
Er schloss halb die Augen, und das Verlangen nach ihr wurde stark in ihm, als er ihren alten, moschusartigen Duft roch. Jetzt hatte er einen richtigen Steifen. Sie durfte es nicht merken. Er trat von dem Tisch zurück, wo sie standen. Unter seinen Füßen knirschte es. Er blickte hinunter.
»O weh, Fortune, guck mal …«
Rings um sie, über den ganzen Fußboden verstreut, lagen zerbrochene Pralinen.
»O-la-la«, sagte Fortune, bückte sich und begann sie aufzusammeln, wobei sie alle möglichen spaßigen Bemerkungen machte.
Erleichtert über den Wechsel der Atmosphäre, lachte Rodney. Immer noch die gleiche alte dumme Fortune … »Warte, ich helfe dir«, sagte er dann und bückte sich ebenfalls, um ein paar zertretene Stücke Konfekt aufzuheben.
»Ach, das ist nicht weiter schlimm«, erklärte sie. »Mach dir keine Umstände, Baby.« Doch er hob weiter die Pralinenkrümel auf und tat sie in eine braune Tüte, die sie in der einen Hand hielt, während sie mit der anderen ebenfalls Konfekt zusammenfegte und dabei die ganze Zeit atemlos lachte, ihn in einem fort mit Fragen bombardierte: »Wie lange bist du schon im Süden, Darling?« – »Wo kommst du her, Rodney?« – »Wo willst du hin, Rodney?« – »Wie hast du mich hier gefunden?«
All seine Besorgnis von vorhin war verflogen. Er fühlte sich wieder fast gelöst, und sie anscheinend ebenfalls, als sie sich jetzt beide erhoben, um einander wieder anzusehen. Er steckte ihr eine Zigarette an. Steckte auch sich eine an.
»Ja, weißt du«, sagte er, »ich war eben bei dir zu Hause, Fortune …«
»Hast du Fredo gesprochen?«
Es war etwas Zitterndes, etwas Nervöses in ihrem Ton, etwas Krampfartiges in der Art, wie sie sich von ihm abwandte, um sich ihm gleich wieder zuzuwenden, die Brauen leicht schüchtern, aber eifrig gehoben, ihre Frage unterstreichend.
»Ja, natürlich …« Er stockte. »Wieso, hätte ich das nicht tun sollen? Ich dachte, wir könnten heute Abend alle drei zusammen essen gehen. Ich lade euch selbstverständlich ein …«
»Wie liebend gern«, sagte sie, »würd ich den Tisch mit der feinsten spanischen Spitze decken, die besten silbernen Kerzenhalter hinstellen und dir eine Ente schmoren, allein, so sehr gut ist die Idee nicht.«
»Aber warum nicht?«
»Fredo ist sehr komisch.« Die Blässe ihres Gesichts zeigte sich nur in ihren Augen. Sonst lächelte es nur. »Und«, fügte sie hinzu, »tres jaloux.«
»Oh.« Rodney lachte mehr über ihre bewusst komische französische Aussprache als über irgendetwas anderes. »Aber«, erklärte er dann, » meinetwegen braucht er doch, weiß Gott, nicht eifersüchtig zu sein.«
»Eben«, sagte sie, und über ihren Lippen, ihren großen und vollen Lippen, lag ein Hauch von Grausamkeit. » Oui, zwischen uns ist es ja tout finis « – jetzt lachte sie – »also …«
»Also«, wiederholte Rodney mit ganz leicht gereiztem Unterton, »braucht er meinetwegen nicht eifersüchtig zu sein.«
»Er ist es aber.«
»Wieso?«
» Baby …« Leise, süß wie Honig kam das Wort von ihren Lippen, schien ihn in eine seltsam unzärtliche Zärtlichkeit zu hüllen, als sie eine seiner Hände ergriff und ihn hinter sich her in den hinteren Teil des Ladens zog, wo sie, ohne ihn anzusehen, jetzt sagte: »Du unterschätzt dich. Glaubst du, ich hätte ihm nicht von dir erzählt?« – Er meinte, ein Beben in ihrer Stimme zu hören. Sein Schwanz, der wieder weich geworden war, begann sich erneut zu heben. »Glaubst du«, fuhr sie fort, »ich hätte deinetwegen nicht manchmal geweint?«
Als sie an den runden Tisch kamen, wo sie gestanden hatte, als er den Laden betrat, war sein Ständer perfekt. Er würde sie gern jetzt weinen machen, weinen und um Gnade
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