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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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Kinderwagen geschlafen.«
    Corrine schaute ihre Mutter fragend an.
    Gina nickte. »Das stimmt, Corrine. Als Onkel Len dich zum letzten Mal gesehen hat, warst du noch ein Baby. Aber jetzt will er sich wieder mehr um dich kümmern.«
    *
    Corrine saß auf dem Beifahrersitz des schwarzen Rover.
    »Das ist ’n richtig tolles Auto«, sagte sie. Sie war beeindruckt von den Ledersitzen und von Onkel Lens Eau de Toilette. Während der Fahrt hatte sie sein Gesicht studiert und sich ein Urteil über ihn gebildet. Onkel Len war witzig. Er brachte sie dauernd zum Lachen.
    »Schön, dass es dir gefällt«, sagte er. »Ein Mann sollte nur Großbritanniens Bestes fahren.«
    Corrine schaute aus dem Fenster. Sie fuhren jetzt an derPromenade entlang auf das große Hotel zu, wo Julian in den Ferien kellnerte. The Albert hieß es.
    Der Blinker klickte, und Onkel Len fuhr auf den Parkplatz hinter dem Gebäude. Corrine sah sich die hohen Wände an, die schmalen Fensterschlitze und die Reihen großer, breiter Abfallcontainer. Von hier sah das Hotel gar nicht mehr so schön aus.
    »Hier wollen wir doch nicht rein, oder?«, fragte sie.
    »Warum nicht«, erwiderte Onkel Len. »Es soll das beste der Stadt sein. Ein Freund von mir arbeitet hier, der hat mir ein Spezialangebot gemacht.« Er zwinkerte ihr zu. »Deshalb müssen wir hinten rein.«
    »Aber«, protestierte Corrine. »Ich hab auch ’nen Freund, der hier arbeitet und so. Der sagt, hier wimmelt’s von Kakerlaken. Er hat gemeint, an einem Abend ist sogar mal eine von der Decke in die Suppe von so ’ner Oma gefallen.« Sie kicherte.
    Rivett hielt an. »Der hat doch bloß Geschichten erzählt«, sagte er. »Das machen doch alle Jungs. Hör zu, wenn’s hier doch Kakerlaken gibt, hau ich sie für dich tot. Komm mit.« Er sah Erics Gesicht in einem der schmalen Fenster des Treppenhauses.
    »Das will ich auch hoffen«, sagte Corrine, die immer noch lachte, und öffnete ihren Gurt.
    Sie waren auf halbem Weg zur Hintertür, als Eric den Kopf schüttelte und mit der Handkante eine Bewegung machte, als würde er sich den Hals durchschneiden. Rivett runzelte die Stirn.
    Eric wiederholte die Geste nachdrücklicher und verschwand vom Fenster.
    »Was?«, sagte Rivett laut und blieb stehen.
    Corrine hatte an seiner Seite weitergequasselt und ging noch ein paar Schritte, bevor sie merkte, dass er nicht mehr neben ihr war. Sie drehte sich um. »Was ist denn?«, fragte sie.
    »Das weiß ich selber nicht so genau«, erwiderte Rivett. »Wart mal eben am Auto, ich geh fragen.«
    Corrine schob die Unterlippe vor. »Okay.«
    Als sie außer Hörweite war, klopfte Rivett leise an die Tür.
    Sie öffnete sich nur einen winzigen Spalt.
    »Bring das Mädchen hier weg!«, zischte Eric.
    »Warum denn?«, flüsterte Rivett. »Was hast du gegen sie?«
    »Die ist wahnsinnig, verdammte Scheiße! Das ist die Schlampe, die Ednas Hund rasiert hat. Ist vor Schreck gestorben, das dumme Vieh. Nimm sie wieder mit und bring sie nie wieder in meine Nähe oder in die Nähe meiner Familie.«
    Er schlug Rivett die Tür vor der Nase zu.
    Der drehte sich langsam um. Corrine stand neben seinem Auto, genauer gesagt tanzte sie in ihrer eigenen, kleinen Traumwelt zu einem Song, den nur sie hören konnte. Trotz all der Kriegsbemalung und der lächerlichen Frisur sah sie nicht wie fünfzehn aus. Eher wie ein kleines Mädchen, das auf der Straße herumhopste. Ein kleines Mädchen, das immer hatte alleine spielen müssen.
    »Oh nein, Gina«, murmelte er. »Was hast du dir jetzt schon wieder geleistet?«
    Er ging langsam auf Corrine zu.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Aber mein Freund ist plötzlich krank geworden. Wir kriegen den Tisch heute doch nicht.«
    »Hab ich doch gesagt«, erwiderte sie und zuckte die Schultern. »Man wird eben krank, wenn man da was isst.«
    Rivett lachte unwillkürlich und fragte: »Was willst du denn dann machen?«
    Corrine legte den Kopf schräg. »Hmmm«, überlegte sie. »Früher bin ich immer total gerne auf den Leisure Beach gegangen.« Ihr Blick schweifte zu den hell erleuchteten Türmen und rotierenden Rädern hinüber. »Aber« – sie rümpfte die Nase und sah ihn wieder an – »das find ich jetzt nicht mehr so toll. Am liebsten würd’ ich jetzt … ’ne große Tüte Donuts essen und dann durch die Spielhallen ziehen.«
    Sie strahlte erwartungsvoll. Bei all seiner Erfahrung mit Leuten, die tatsächlich zu so etwas fähig waren, konnte er sich nie im Leben vorstellen, dass sie Ednas Hund etwas

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