Opfer
verrückt, als er härter zupackte.
»Stimmt. Sie ist nämlich von dem widerwärtigsten Drecksack überhaupt«, sagte Gina. »Von dir.«
33
KÖNIGREICH
März 2003
Noj öffnete die Tür ins Swing’s, und eine Lärmwand schlug ihr entgegen. Metallische Gitarren kreischten gegen ein wummerndes Schlagzeug an, und darüber röhrten kehlige Vocals. Sie drängelte sich an, ein paar Studenten vorbei, lehnte sich über die Bar und schrie den Rücken des Wirts an: »Marc!«
Der lachte gerade mit einem Gast über irgendetwas und hörte sie wohl nicht. »Marc!« Ihre entnervte Stimme erreichte ein paar Dezibel mehr als die Emo-Dröhnung. Farman fuhr herum. »Marc, war der Polizist heute hier?«
»Was?«, erwiderte Marc, »Sean Ward? Nee, bisher nicht. Was willst du denn von ihm?«
»Was Wichtiges«, sagte Noj. »Kann ich jetzt nicht erklären. Aber wenn er kommt, sag ihm, er soll mich sofort auf dem Handy anrufen, okay? Lass ihn vorher nicht gehen.«
*
»Ich bin’s noch mal, Mr Pearson«, sagte Sean. »Francesca hat mir tatsächlich auf die Mailbox gesprochen. Sie führt wohl gerade ein Interview und ist so in einer halben Stunde, Stunde fertig.« Er schaute auf die Uhr am Armaturenbrett.
»Ach so.« Mr Pearson wirkte unsicher. »Dann müsste sie um acht zu Hause sein.«
»Genau«, bestätigte Sean mit gespielter Überzeugung.
»Na, dann lass ich jetzt lieber mal die Hunde raus, bevor sie das Haus auseinandernehmen.«
»In Ordnung, Mr Pearson. Ich melde mich, wenn ich etwas von ihr höre«, sagte Sean und legte auf. Sofort klingelte sein Handy.
»Da sind Sie ja endlich!«, schrillte ihm Nojs Stimme ins Ohr.
»Noj«, sagte Sean. »Ich hab gerade erst die Mailbox abgehört. Ich wollte mich eigentlich mit Ihnen treffen, aber jetzt ist mir was sehr Wichtiges dazwischengekommen …«
»Nichts ist wichtiger als das, was ich Ihnen zu sagen habe«, erwiderte Noj.
»Im Moment leider schon.« Seans Daumen wartete über dem roten Knopf.
»Rivett«, fing Noj an, »ist gerade bei Ihrer Journalistin. Was sagen Sie jetzt?«
»Was?« Sean zog den Daumen weg. »Wo?«
»Wo sind Sie denn«, konterte Noj.
»Vor der Polizeiwache«, erwiderte Sean. »Keine Spielchen Noj, wo sind die beiden?«
»Holen Sie mich vor dem Swing’s ab«, sagte sie. »Ich führ Sie hin.«
»Bin sofort da.« Sean legte auf und startete den Motor. Als er vom Parkplatz fuhr, sah er den Polizisten vor der Tür stehen, mit dem Smollet diskutiert hatte. Er starrte aufgeregt die Straße hinunter.
*
Francesca schaute das Schiebefenster an. Sie befand sich im Erdgeschoss. Wenn es nicht abgeschlossen war, konnte sie einfach nach draußen klettern. Sie schraubte den Verschluss auf. Kein Problem. Aber als sie versuchte, das Fenster aufzuschieben, rührte es sich kaum. »Scheiße!«, fluchte sie halblaut. Nach ein paar Zentimetern war Schluss. Sie schaute sich den Holzrahmen genauer an – es sah aus, als wäre der Mechanismus überstrichen worden.
Das bringt nichts . Was jetzt.
Mit aller Kraft drückte sie das Fenster wieder hinunter, schraubte den Verschluss fest und zog die Vorhänge zu. Als sie sich wieder an den Tisch setzte, rasten ihr die Gedanken durch den Kopf. Die Klos werden doch wohl Fenster haben, oder? Dahin würde er ihr sicher nicht folgen – zumindest nicht sofort. Oder sie würde einfach sagen, dass sie dorthin musste, und dann direkt durch die Tür abhauen, während er hier auf sie wartete. Ja, das war’s. Es war aber nur glaubwürdig, wenn sie ihre Jacke hier ließ. Scheiße, das war eine gute Jacke . Egal. Sie konnte sich eine neue kaufen.
Sie zog sie aus, hing sie wieder über den Stuhl, setzte sich und trank einen Schluck Wasser. Ihr fiel ein, dass sie bei der Gelegenheit hätte Sean anrufen können, damit er wusste, wo sie war und mit wem. Ja, das hätte sie als Erstes machen sollen. Aber vielleicht hatte sie ja noch Zeit …
Während sie noch in ihrer Tasche wühlte, öffnete sich die Tür.
»Neuer Plan«, sagte Rivett.
*
Sean hielt gegenüber dem Swing’s, wo Noj in ihrem Leopardenmantel und mit ihrer Tasche über der Schulter wartete. Sie öffnete die Tür, setzte sich neben Sean und riss die Augen auf. »Sie sind in der Freimaurerloge. Ich hab’s eben noch mal überprüft, sie sind noch da. Wissen Sie, wie Sie da hinkommen, oder soll ich Ihnen den Weg sagen?«
»Sie navigieren«, sagte Sean. »Wenn Sie mich durch das Einbahnstraßen-Labyrinth kriegen, glaub ich wirklich an Magie.«
»Okay«, erwiderte Noj. »Da vorne
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